Autor*in: Seraina Patzen, Grossrätin

National- und Ständerat diskutieren aktuell über die Umsetzung einer Motion, die verlangt, dass Gesamtarbeitsverträge einem kantonalen oder kommunalen Mindestlohn immer vorgehen. Damit versuchen die Bürgerlichen, die Mindestlohninitiativen, die in verschiedenen Gemeinden (auch in der Stadt Bern) und Kantonen lanciert oder bereits angenommen und eingeführt wurden, wirkungslos zu machen.

Bundesrat Rösti hat kürzlich eine Verordnung in die Vernehmlassung geschickt, die es den Gemeinden erschweren will, Tempo 30 einzuführen. Zukünftig muss in einem Gutachten nachgewiesen werden, dass die Massnahme keinen unerwünschten Ausweichverkehr verursacht. Eine unnötige bürokratische Hürde, welche einzig auf die Verhinderung von Tempo 30 zielt.

Dies sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie skrupellos bürgerliche Politiker:innen vorgehen, wenn es darum geht, ihre Macht durchzusetzen – wenn es gilt, linke, mehrheitsfähige Forderungen zu ersticken, sind all die Beschwörungen von Föderalismus und direkter Demokratie plötzlich Makulatur.

Ähnliches passiert auch im Kanton Bern, wobei sich gerade in Finanzfragen ein gefährlicher Anti-Stadt-Bern-Reflex beobachten lässt:  Da verweigert der Grosse Rat die Finanzierung einer Tramlinie, die die Stadtberner Bevölkerung mit 76% angenommen hat – einfach nur, weil das Tram in der Stadt Bern fährt. Oder: Ein Komitee aus GLP, SVP und EDU ergreift das Referendum gegen die nötige Sanierung des Kunstmuseums – mit dem Argument, die Stadt beteilige sich nicht an den Kosten, obwohl gemäss dem kantonalen Kulturförderungsgesetz völlig klar ist, dass der Kanton für die Finanzierung des Museums zuständig ist. Ein gefährlicher Anti-Stadt-Reflex also, bei dem es nicht einmal konkret um die Verhinderung linker Forderungen geht, sondern nur noch plump darum, der linken Stadt eins auszuwischen, auch wenn dafür eigentlich unbestrittene Grundsätze und Zuständigkeiten über Bord geworfen werden müssen. Dabei geht offensichtlich vergessen, dass eine ungenügende Kultur-Finanzierung oder ein schlechtes ÖV-Angebot die ganze Gesellschaft betreffen.

In der Wintersession wird der Grosse Rat über den Finanz- und Lastenausgleich diskutieren, der z.B. die Abgeltung von sogenannten Zentrumslasten regelt. Es geht also darum, wie viel Geld die Stadt Bern für das Erbringen von Leistungen bekommt, von der die ganze Kantonsbevölkerung profitiert. Es ist zu befürchten, dass die bürgerliche Sabotage-Politik auch hier grossen Schaden anrichten wird – ungeachtet all der sozialpolitischen, kulturellen und verkehrstechnischen Investitionen, die die Stadt trägt und von denen der ganze Kanton profitiert.