Prüfauftrag

Dem Gemeinderat wird folgender Prüfauftrag erteilt: 

  1. Inwiefern auf dem Gaswerkareal eine gemischte Nutzung ermöglicht werden kann, die sowohl genossenschaftlichen Wohnraum als auch die bestehende Wohnform des Kollektivs Anstadt berücksichtigt.
  2. Welche konkreten Massnahmen getroffen werden können, um bestehende soziale und kulturelle Projekte auf dem Gaswerkareal nachhaltig in die städtische Planung zu integrieren.
  3. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich sind, um alternative Wohnformen wie die Anstadt dauerhaft zu ermöglichen und als integralen Bestandteil der städtischen Wohnpolitik zu verankern.

Begründung

Die Stadt Bern verfolgt mit der geplanten Entwicklung des Gaswerkareals das Ziel, an zentrumsnaher Lage ein diverses Quartier mit bezahlbarem und genossenschaftlichem Wohnraum zu schaffen. Diese Entwicklung bietet eine einmalige Gelegenheit, innovative Wohnformen zu fördern und bestehende alternative Wohnprojekte in die Quartierentwicklung zu integrieren. Das Areal soll ein offener und vernetzter Raum werden, der sowohl Wohnraum als auch Arbeits- und Gemeinschaftsflächen beinhaltet. Die geplante Überbauung sieht eine Nutzungsvielfalt im Einklang mit der Natur vor. [1] Alternative Wohnformen wie das Kollektiv Anstadt [2] stehen damit jedoch vor dem Aus. Seit 2018 ist das Gebiet teilweise vom Kollektiv Anstadt genutzt, das als Wagenplatz eine alternative, experimentelle Wohnform etabliert hat. Diese Nutzung ist vertraglich befristet, jedoch stellt das Projekt einen wertvollen sozialen, solidarischen und subkulturellen Beitrag für die Stadt dar. Der niederschwellige Zugang bietet Menschen in Notsituationen, die strukturell benachteiligt oder ökonomisch schlechter gestellt sind, Unterschlupf und zivilgesellschaftliche Hilfeleistung. Dadurch entstehen Begegnungen auf Augenhöhe und konkrete Beziehungen der Menschlichkeit. Räume in der Anstadt können gratis genutzt werden: Das Vakuum ist ein beheizbarer Probe- und Workshopraum für Tanzprojekte, Theaterproduktionen und Bewegungsaktivitäten, der jährlich vonca. 130 Veranstaltenden und mehreren tausend Nutzer:innen besucht wird. Das KRK ist ein Zentrum für verschiedene politische, soziale und kulturelle Projekte, das Menschen auf unkommerzielle Weise verbindet. Die Anstadt ist besonders für Communities wie nomadisierenden Menschen (als
temporärer Wohnort), Jugendliche (Freiräume und Treffpunkt) und Kinder (Spielplatz) ein interessanter Ort, der ihren spezifischen Bedürfnissen entspricht. Ausserdem bietet die Anstadt ca. 45 Menschen ein dauerhaftes Zuhause. Das Engagement dieser Bewohnenden für die Stadt Bern ist aufgrund günstiger Lebenshaltungskosten breit und fördert ein solidarisches und diverses Bern. Insgesamt stellt die Anstadt ein gelebtes Beispiel für alternative Formen des urbanen Zusammenlebens dar. Das Gaswerkareal beherbergt zahlreiche selbstverwaltete und unkommerzielle Projekte und soziokulturelle Initiativen, die als niederschwellige und partizipative Angebote eine wichtige Rolle für das Quartier spielen. Die städtische Vision für das Gaswerkareal
beschreibt explizit einen offenen und vernetzten Raum mit vielfältiger Nutzung. Um dieser Vision gerecht zu werden, soll geprüft werden, wie bestehende Projekte wie die Anstadt nicht verdrängt, sondern integriert werden. Eine Verdrängung der Anstadt würde nicht nur den sozialen Zusammenhalt, sondern auch den kulturellen Reichtum der Stadt negativ beeinflussen. In einer am 23.11.23 überwiesener Motion, „Freiraum statt Planraum“, wurden bereits ähnliche Forderungen
gestellt und der Nutzen und politische Wille solcher Projekte betont. Die geforderten Punkte können mit dem Projekt Anstadt aufgenommen und umgesetzt werden. [3] Alternative Wohnprojekte haben in Bern eine lange Tradition und gesellschaftliche Akzeptanz. Bereits in den 1980er Jahren hat die Zaffaraya-Bewegung gezeigt, dass alternative Wohnformen eine Bereicherung für die Stadt sein können. Der Stadtrat hat sich immer wieder für eine durchmischte und innovative Wohnbaupolitik
ausgesprochen, die unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigt.

Bern, 27. Februar 2025

[1] https://www.bern.ch/themen/planen-und-bauen/stadtentwicklung/stadtentwicklungsprojekte/gaswerkareal

[2] Doku über die Anstadt: SRF Futura! Staffel 2, Folge 8 https://www.playsuisse.ch/de/show/1534641

[3] https://stadtrat.bern.ch/de/geschaefte/detail.php?gid=64605313720c438ab6d46471448b316e