Interfraktionelle Motion Fraktionen GB/JA!, SP/Juso, GFL (Lea Bill, GB; Mahir Sancar, JA!; Dominik Nellen, SP; Michael Burkard, GFL)

Das Sammeln von Unterschriften für Referenden, Petitionen und Initiativen ist wichtig für die Förderung der (direkt)demokratischen Beteiligung. Folgerichtig ist das Unterschriftensammeln im öffentlichen Raum grundsätzlich bewilligungsfrei. Ein Bundesgerichtsurteil (BGE 1C_434/2008) hat das noch präzisiert: Das Unterschriftensammeln mit bis zu drei Personen und mobiler Infrastruktur ist bewilligungsfrei.

Dennoch sieht die Praxis der Stadt Bern anders aus: Sowohl auf der Internetseite [1] als auch im Merkblatt zur bewilligungsfreien Nutzung des öffentlichen Grundes [2] hält die Stadt Bern fest, dass Unterschriftensammeln im städtischen Teil des Bahnhofs und im übrigen Stadtgebiet auf Märkten, Veranstaltungen oder neben bewilligten Informations-, Promotions- und/oder Verkaufsständen grundsätzlich nicht erlaubt ist. Und im konkreten Fall werden Unterschriftensammlungen im Rahmen von bewilligten Veranstaltungen grundsätzlich als bewilligungspflichtig eingestuft. Dabei wird die Bewilligung jeweils aus sicherheitstechnischen Gründen nicht ausgestellt. Mit anderen Worten: Sobald im öffentlichen Raum eine bewilligte Veranstaltung stattfindet, ist das Sammeln von Unterschriften verboten. Das gilt für ein Quartierfest mit mehreren hundert Personen gleichermassen wie für die Offene Bundesmeile am 1./2. Juli 2023 mit mehreren 10’000 Besucher*innen pro Tag.

Es ist befremdlich, wie stark die Stadt Bern diese wichtige demokratische, grundsätzlich bewilligungsfreie Basisarbeit im öffentlichen Raum einschränkt.    

Die Motionär*innen vertreten die Ansicht, dass für politisches Engagement in der Stadt Bern möglichst keine Hürden bestehen sollten. Angesichts des selbsterklärten Ziels des Gemeinderats, dass Bern eine „Stadt der Beteiligung“ sein soll, sind die beschriebenen Einschränkungen für das Bekanntmachen politischer Anliegen und von anstehenden Wahlen irritierend. Es kann nicht sein, dass schon für kleine Mobilisierungs- oder Sammelaktionen eine Bewilligung eingeholt werden muss – politisches Engagement ist nicht zuletzt ein Dienst an der Gesellschaft und an der Demokratie!

Das Reglement über die politischen Rechte (RPR, SSSB 141.1) ist im 6. Kapitel um einen neuen 1. Abschnitt «Allgemeines» und einen neuen Art. 70 zu ergänzen mit folgendem Inhalt:

  1. Das Unterschriftensammeln für fakultative Volksabstimmungen, Volksvorschläge, Initiativen und Petitionen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene im öffentlichen Raum ist auf dem gesamten Stadtgebiet mit mobiler Infrastruktur und bis zu drei Personen erlaubt.
  2. Andere bewilligte Veranstaltungen, die den gleichen Raum beanspruchen, berühren die Zulässigkeit und Bewilligungsfreiheit des Unterschriftensammelns gemäss Absatz 1 nicht.
  3. Einschränkungen sind nur in gut begründeten Fällen und ausnahmsweise zulässig und auf das nötige Minimum zu beschränken.

Bern, 16. Mai 2024

Merkblatt: Bewilligungsfreie Nutzung des öffentlichen Grundes Stadt Bern – Unterschriftensammeln, Flyer verteilen, Umfragen machen, Betreiben eines Bauchladens

[1] https://www.bern.ch/themen/freizeit-und-sport/veranstaltungen/bewilligungen-fur-veranstaltungen/verkaufs-informations-und-promotionsstaende-unterschriften-sammeln

[2] https://www.bern.ch/themen/freizeit-und-sport/veranstaltungen/bewilligungen-fur-veranstaltungen/verkaufs-informations-und-promotionsstaende-unterschriften-sammeln/downloads/merkblatt-fur-bewilligungsfreie-nutzung-des.pdf/download