Es wird knapp: Am 22. September stimmen wir über die Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» (Biodiversitätsinitiative) ab. Wie wichtig diese ist und wie die Stadt Bern Rückenwind erhalten könnte, erzählt Franziska Grossenbacher von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und ehemalige GB-Stadträtin.

grünlinks Warum braucht es die Biodiversitätsinitiative?

Franziska Grossenbacher: Eine vielfältige Natur sorgt für sauberes Wasser, fruchtbare Böden, Bestäubung und gesunde Nahrung. Doch der Biodiversität in der Schweiz geht es schlecht: Ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz ist gefährdet oder bereits ausgestorben. Die Hälfte der Lebensräume ist bedroht. Diese Zahlen sind dramatisch. Ebenso unter Druck stehen die Landschaften und Ortsbilder: Zubetonierung, Zersiedelung und gesichtslose Neubauten haben ihnen in den letzten Jahrzehnten stark zugesetzt. Die Biodiversitätsinitiative verpflichtet Bund und Kantone, endlich die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um diese negative Entwicklung zu stoppen.

grünlinks Was ändert sich konkret im Gegensatz zur heutigen Gesetzgebung?

Die Initiative hebt die heute bewährte Praxis der Interessenabwägung auf Verfassungsebene und stärkt sie damit. Zusätzlich sollen die Natur, abwechslungsreiche Landschaften und unverwechselbare Ortsbilder auch ausserhalb der Schutzgebiete geschont werden. Schützen und Nutzen gehen dabei Hand in Hand. Die Initiative lässt genügend Spielraum, damit das Parlament nach deren Annahme eine gezielte Umsetzung beschliessen kann.

grünlinks Wie steht es um die Biodiversität in der Stadt, resp. Siedlungsraum?

Siedlungsgebiete nehmen an Fläche zu und werden immer wichtiger für die Biodiversität. Sie sind in der Regel kleinstrukturiert und könnten deshalb viele verschiedene Lebensräume und eine hohe Artenvielfalt beherbergen. Bautätigkeit, die die Ausnützungsziffern ausreizt, führt häufig zum Verlust von Lebensräumen. Die verbleibenden Freiflächen sind oft monotone Rasenflächen und eignen sich nicht als wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Doch auch bei Verdichtungen können Siedlungen so aufgewertet werden, dass eine grössere Vielfalt von Pflanzen und Tieren einen Lebensraum findet. Begrünte und naturnah gestaltete Aussenräume sind nachweislich wertvolle Begegnungs- und Erholungsräume für die Bevölkerung und verbessern ebenso das Stadtklima bei den steigenden Temperaturen.

grünlinks Wie wichtig ist die Initiative für die Stadt Bern?

Seit 2013 verfügt Bern als  erste Stadt in der Schweiz über ein Biodiversitätskonzept. Das Konzept stellt eine verbindliche Planungs- und Arbeitsgrundlage für die städtischen Behörden und einen Wegweiser für Politik und Öffentlichkeit dar. Auch wenn der Handlungsbedarf nach wie vor gross ist, zeigt sich, dass in diesen 10 Jahren einiges erreicht wurde.Vieles davon verdanken wir dem grossen Engagement und der Kreativität der Fachstelle Natur und Ökologie von Stadtgrün Bern. Die Biodiversitätsförderung wurde politisch durch RGM und das GB immer wieder unterstützt. Die Stadt Bern ist somit gut auf Kurs. Die Initiative würde der Stadt Bern Rückenwind verleihen und mithelfen, das Engagement in Bern weiterzuführen und in andere Städte zu tragen. 

grünlinks Wie könnte eine Umsetzung für die Stadt Bern aussehen? 

Die Umsetzung der Initiative wird Aufgabe des Parlaments sein. Eine mögliche Umsetzung könnte dem Beispiel der Stadt Bern folgen, d.h. eine Mischung aus verbindlichen Vorgaben (z.B. Anteil naturnah gestalteter Flächen bei Überbauungen) und Sensibilisierung und Beratung der Bevölkerung (z.B. Naturerlebnisse vermitteln, Gartenberatungen durchführen). 

grünlinks Was möchtest du noch sagen?

Die Stadt Bern ist eine Pionierin im Bereich Biodiversitätsförderung. Nun ist es wichtig, dieses Engagement gesamtschweizerisch zu verankern, mit einem JA zur Biodiversitätsinitiative!

Interview: Milena Geiser, Redaktion grünlinks