Interview:

  • Jelena Filipovic ist Geschäftsführerin und Stadträtin des GB sowie Co-Präsidentin des VCS Schweiz.
  • Esther Meier ist Stadträtin des GB sowie Co-Kampagnenleiterin des VCS Schweiz.

grünlinks: Jelena, seit ein paar Monaten bist du neue Co-Präsidentin des VCS Schweiz und gleich leitest du den Verband in die wichtigste Abstimmung seit vielen Jahren. Wie fühlt sich das an?

Jelena Filipovic: Ziemlich überwältigend (lacht), aber auch top motivierend. Es macht grossen Spass, mit diesen tollen Menschen zusammenzuarbeiten und gemeinsam alles zu geben, damit wir am 24. November gewinnen. Für unsere lebenswerte Zukunft brauchen wir definitiv andere Dinge als diesen masslosen Ausbau der Autobahnen.

grünlinks: Esther, du leitest zusammen mit Selim Egloff die nationale Kampagne gegen den Autobahnausbau. Mit welchen Argumenten willst du die Stadtberner*innen von einem NEIN überzeugen?

Esther Meier: Die Stadt Bern würde wegen der Verbreiterung der Autobahn im Grauholz und weiter nach Kirchberg noch stärker von Pendel- und Freizeit-Autoverkehr aus der Agglomeration geflutet. Diese Autobahn-Teilstücke sind die Einfallsachse in die Stadt. Dabei wollen wir doch den Autoverkehr in der Stadt reduzieren. Der Ausbau der Autobahn widerspricht diesem Ziel diametral – und dass ausgerechnet vor der Haustüre unserer Stadt die erste 8-spurige Autobahn der Schweiz entstehen soll, empört viele Berner*innen zurecht. 

grünlinks: Und wie genau ist der Zusammenhang zwischen dem Autobahn-Ausbau und der Klimakrise?

Esther Meier: Der Reihe nach: Jede Baustelle dieser Grössenordnung verursacht durch Lastwagen und Baumaschinen, aber vor allem auch durch Beton und Baumaterialien enorme zusätzliche Klimagase. Dann rechnen wir nach dem Ausbau mit viel zusätzlichem Autoverkehr, weil es eine Zeit lang einfacher sein wird, mit dem Auto in die Stadt und aus der Stadt zu fahren. Diese zusätzlichen Fahrten belasten die Umwelt in vielerlei Hinsicht. Auch die Fahrt mit Elektroautos führt zu Klimagas-Ausstoss. Ganz zu schweigen von Lärm und Reifenabrieb, also Feinstaub.

grünlinks: In der Kampagne setzt ihr aber nicht hauptsächlich auf das Klima-Argument, warum?

Jelena Filipovic: Das systematische Argumente-Testing hat ergeben, dass für eine Mehrheit der befragten Menschen der Klimaschutz nicht zu den wichtigsten Argumenten gegen den Autobahn-Ausbau gehört. Für die Architektur der Kampagne wollten wir diejenigen Argumente verwenden, die am meisten ziehen. Schweizweit sind das vor allem die verbreiteten Bedenken vor einem ungebändigten Wachstum, vor Megabaustellen und zu grossen Strassen. Deshalb der Slogan: Zu gross für die Schweiz!

grünlinks: Was können unsere GB-Mitglieder jetzt noch tun, um dieser Abstimmung zu einem Erfolg zu verhelfen?

Esther Meier: Wir sind jetzt in der Mobilisierungsphase. Es geht also nicht mehr primär darum, mit Menschen stundenlang zu diskutieren, wenn sie noch nicht überzeugt sind. Vielmehr müssen wir jetzt dafür sorgen, dass wirklich alle auch abstimmen gehen. Wenn jedes GB-Mitglied in seinem Umfeld nochmal und immer wieder alle auffordert, abzustimmen, dann können wir in der Stadt Bern auf jeden Fall einen sehr hohen NEIN-Anteil bewirken. Es braucht aber alle dazu!

grünlinks: Warum ist ein grosses NEIN in der Stadt Bern so wichtig?

Esther Meier: Der Bund betonte immer wieder, dass er Autobahnprojekte nicht gegen die lokale Bevölkerung durchdrücken wird. Auch für nationale Diskussion ist es eine ganz andere Ausgangslage, wenn die Städte, bei denen Ausbauten geplant sind, diese selber ablehnen. Ein starkes NEIN in der Stadt Bern hat grosse Auswirkungen, unabhängig davon, wie die nationale Abstimmung ausgeht. Gerade auch für die Diskussion um den Wankdorf-Anschluss und die Verkehrsmonster-Initiative.

grünlinks: Mit Jelena als Co-Präsidentin, Stéphanie Penher als Geschäftsführerin und Esther als Co-Kampagnenleiterin sind gleich drei Berner GB-Frauen an vorderster Front federführend für die nationale Kampagne verantwortlich. Wie fühlt sich das für euch an?

Jelena Filipovic: Grossartig! Dass wir uns schon von vielen gemeinsamen Projekten kennen, erleichtert ganz viel. Wir können so sehr gut Hand in Hand arbeiten.

Esther Meier: Das funktioniert sehr gut. Es zeigt auch, dass Menschen im GB wichtige Kompetenzen und ein starkes Netzwerk aufbauen können, um in der Politik erfolgreich mitzuarbeiten. Es wäre schön, wenn wir in Zukunft noch weitere Projekte zusammen durchziehen könnten.

grünlinks: Ihr seid beide auch stark involviert in die GB-Wahlkampagne für die städtischen Wahlen. Für euch ist der 24.11. wohl DER Tag in eurer bisherigen politischen Karriere?

Jelena Filipovic: Das ist tatsächlich der Tag, auf den jetzt alles abzielt. Das hilft uns zu fokussieren, aber es ist natürlich auch unglaublich anstrengend. Wir sind wahnsinnig froh, dass uns überall viele fleissige Menschen unterstützen und diese Last mittragen. Gemeinsam können wir es schaffen!

Interview: Markus Heinzer, Redaktion grünlinks