Kleine Anfrage: Wie gedenkt die Stadt Bern der Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen?
Franziska Geiser, GB; Seraphine Iseli, GB
Bis in die 1980er Jahre wurden auch in Bern zahlreiche Menschen Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen: Sie wurden in Heimen platziert oder verdingt und als billige Arbeitskräfte missbraucht. Bis heute kämpfen sie darum, dass die behördliche Schuld anerkannt wird.
In zahlreichen Gemeinden des Kantons Bern finden in diesem Jahr Erinnerungsanlässe für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen statt. Ein solcher Erinnerungsanlass war am 6. Juni 2023 auch im Berner Generationenhaus geplant.
Die Veranstaltung wurde aber abgesagt: Zu wenig Interessierte hatten sich angemeldet.[1] Dies ist aus zwei Gründen erstaunlich: Erstens gibt es viele Opfer von Fremdplatzierungen und anderen fürsorgerischen Zwangsmassnahmen mit Bezug zur Stadt Bern – entweder kommen sie aus Bern oder wurden in der Stadt platziert –, viele Opfer, die sich um Akteneinsicht bemüht haben und an der Aufarbeitung des erlittenen Unrechts interessiert sind. Zweitens stossen ähnliche Anlässe jeweils auf grosses Interesse und sind in der Regel gut besucht.
Ein Grund kann im Anmeldeverfahren liegen: Interessierte mussten sich per Email beim Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz der Stadt Bern anmelden, dies kann für Opfer von behördlichem Handeln eine hohe Hürde sein.
Dass Bern die Veranstaltung absagen musste, ist für die Betroffenen ein Affront. Die Stadt signalisiert so, dass wenig Interesse daran besteht, die Geschichte der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen aufzuarbeiten. Es darf nicht sein, dass solche Veranstaltungen nicht stattfinden. Wir haben deshalb Fragen:
- Aus welchen Gründen wurde eine Anmeldung verlangt?
- Welche Gründe wurden für die tiefen Anmeldezahlen und das Scheitern des Anlasses eruiert?
- Welche Lehren wurden gezogen, um zu verhindern, dass auch ein nächster Erinnerungsanlass abgesagt werden muss?
- Wann und in welcher Form wird der Anlass nachgeholt?
[1] Heim- und Verdingkinder: Ausgerechnet die Stadt Bern verpatzt Gedenkanlass für Opfer | Der Bund