Postulat Fraktion GB/JA! (Franziska Grossenbacher/Regula Tschanz, GB):

Das Kalkbreite-Areal1 in Zürich ist zum Inbegriff für fortschrittliche Stadtentwicklung geworden. Seit August 2014 wohnen in der Kalkbreite rund 250 Personen, 200 weitere arbeiten auf dem Areal. Das spezielle an der Siedlung ist deren Lage auf der Tramabstellanlage der Verkehrsbetriebe Zürich. Auf dem Depotareal wurde ein sozial und ökologisch pionierhafter, urbaner Lebensraum geschaffen: Die Siedlung orientiert sich an den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft, ist Minergie-P-Eco zertifiziert und autofrei. Die Mieten sind günstig und es gibt ein breites Angebot an Wohngemeinschafts-, Familien-, Paar- und Singlewohnungen. Der Flächenverbrauch pro Bewohnerin beträgt weniger als 33 Quadratmeter (inkl. zahlreiche Gemeinschaftsflächen für Begegnung und Austausch). Trotz komplexer Rahmenbedingungen und hoher energetischer Anforderungen sind die
Anlagekosten mit 63,7 Millionen Franken vergleichsweise niedrig. Will sich Bern als attraktiver Wohnstandort positionieren, steht die Stadt in der Verantwortung, visionäre Projekte, nachhaltige Arealentwicklungen und eine modellhafte Wohnpolitik voranzutreiben. Eine Kalkbreite wäre auch in Bern möglich und angesichts des knappen verfügbaren Baulands sinnvoll. Das Depot am Eigerplatz ist für Bernmobil ein strategisch wichtiger Standort. Dank der zentralen Lage wäre das Areal gleichzeitig attraktiv für die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum. Am Eigerplatz könnten damit die Interessen der Stadtplanung ideal mit bestehender Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr verbunden werden. Wir fordern den Gemeinderat zu folgenden Schritten auf:

1. Er legt dem Stadtrat eine Vorlage zur Erstellung von Wohnraum auf dem Areal des Depot Eigerplatz nach dem Vorbild der Kalkbreite in Zürich (Doppelnutzung öV-Infrastruktur/ Wohnüberbauung) vor.
2. Die Siedlung wird als sozial und ökologisch pionierhafter Lebensraum gestaltet:
a) Die Siedlung wird als 2000-Watt-Areal zertifiziert.
b) Sie ist autofrei.
c) Auf dem Areal herrscht ein Mix aus Wohn- und quartierverträglichen Gewerbenutzungen. Dabei ist den Bedürfnissen des Quartiers besondere Beachtung zu schenken.
d) Günstige Mieten und ein breites Angebot an Wohngemeinschafts-, Familien-, Paar- und Singlewohnungen fördern vielfältige Wohnformen und stehen einer breiten MieterInnenschaft offen. Joker-Räume können zu den Wohnungen dazu gemietet werden.
e) Mindestens die Hälfte der Wohnnutzung wird als gemeinnütziger Wohnraum erstellt und betrieben.
f) Es werden genügend Räume vorgesehen, in denen sich die BewohnerInnen und die Öffentlichkeit begegnen und austauschen können.

Bern, 18. Juni 2015

Erstunterzeichnende: Franziska Grossenbacher, Regula Tschanz
Mitunterzeichnende: Leena Schmitter, Seraina Patzen, Katharina Gallizzi, Regula Bühlmann, Cristina Anliker-Mansour, Stéphanie Penher


1 vgl. Projektdokumentation 2014: http://www.kalkbreite.net/projekt/bauprojekt/20140923_Kalkbreite-Projektdokumentation_2014_web.pdf

Antwort des Gemeinderats:
Das Tramdepot Eigerplatz befindet sich in hervorragender Lage: zentral, gut erschlossen und im prosperierenden und dynamischen Stadtteil III gelegen. Der Gemeinderat verfolgt schon länger das Ziel, mögliche langfristige Entwicklungs- und Nutzungsstrategien an diesem Standort auszuloten. Sowohl das STEK95 (Stadtentwicklungskonzept 1995), der Quartierplan Stadtteil III, als auch der vorliegende Entwurf des STEK15 stufen das Areal Tramdepot Eigerplatz als Standort mit hohem Entwicklungspotenzial ein.

Zu Punkt 1:
Der Gemeinderat kann sich innerhalb des Areals Tramdepot Eigerplatz eine bauliche Verdichtung mit Wohnraum und weiteren Nutzungen vorstellen. Insgesamt soll die Verdichtung zu einer städtebaulichen Aufwertung des Stadtteilzentrums führen und mehr nutzbarer Raum entstehen. Inwieweit eine neue Überbauung dem Vorbild der Kalkbreite entsprechen kann, ist bei Erarbeitung
der Planungsvorlage zu überprüfen. Darin werden auch Abklärungen zum Mobilitätsmanagement und den verkehrlichen Auswirkungen enthalten sein. Ob BERNMOBIL-Nutzungen (Tram-Depot, Busgarage, Werkstätten, Verwaltung etc.) an diesem Standort beibehalten werden können oder verlagert werden müssen, wird ebenfalls Gegenstand der Erarbeitung der Vorlage sein. Eine Verlagerung der BERNMOBIL-Nutzungen hätte grosse Kosten zur Folge und kann erst erfolgen, wenn die Nutzungsbedürfnisse von BERNMOBIL geklärt und abgedeckt sind. Der Gemeinderat wird dem Stadtrat eine Planungsvorlage Areal Tramdepot Eigerplatz zu gegebener Zeit unterbreiten.

Zu Punkt 2:
Der Gemeinderat ist damit einverstanden, die Realisierung einer sozial und ökologisch pionierhaften Überbauung auf dem Areal Eigerplatz zu prüfen. Welches die Grundlagen und Eckwerte einer ökologisch und sozial pionierhaften Überbauung an diesem Standort sein könnten, muss im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten evaluiert werden.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, Punkt 1 erheblich zu erklären und Punkt 2 abzulehnen; er ist jedoch bereit, Punkt 2 als Postulat entgegenzunehmen.

Bern, 9. Dezember 2015

Der Gemeinderat