Milena Daphinoff (Die Mitte) / Florence Schmid (JF/FDP) / Marcel Wüthrich (GFL) / Franziska Geiser (GB) / Gabriela Blatter (GLP)

An der Stadtratssitzung vom 24.11.2022 wurde die kleine Anfrage «45 Mio. Darlehen von der FIFA – Ausnahme oder Regel?» (Daphinoff / Schmid) eingereicht. Im Zusammenhang mit der Antwort des Gemeinderats und der journalistischen Aufarbeitung der Thematik ist bekannt geworden, dass die Stadt Bern in den letzten Jahren mehrfach die FIFA als Fremdkapitalgeberin beanspruchte.[1] Diese Praxis und das Ausmass der Kreditaufnahmen irritieren: seit 2017 hat die Stadt Bern von der FIFA regelmässig kurzfristiges Fremdkapital für sich und ihre stadteigenen Anstalten aufgenommen. In der Summe hat die FIFA der Stadt Bern derart in den letzten fünf Jahren in mehreren Tranchen CHF 1.8 Milliarden an Liquidität zur Verfügung gestellt. Aus der Antwort auf die besagte kleine Anfrage geht ebenfalls hervor, dass es bisher nur zwei Grundsätze gibt, nach welchen die Stadt Bern kurzfristiges Fremdkapital aufnimmt: Erstens muss der Gerichtsstand der Kapitalgeberin oder des Kapitalgebers in der Schweiz sein und der Kredit ist in Schweizer Franken auszugeben. Zweitens ist aufgrund der Ausschreibung das preisgünstigste Angebot (All-in-Kosten) zu berücksichtigen.

Für die Motionärinnen und Motionäre sind die besagten Kriterien für die Kreditaufnahme ungenügend. So darf die Forderung nach Gesellschaftsverantwortung im Kreditgeschäft nicht nur für den Finanzsektor, die Pensionskassen oder die Unternehmen gelten. Auch öffentliche Gemeinwesen wie die Stadt Bern müssen danach handeln. Als öffentliches Gemeinwesen übt die Stadt Bern eine Schlüsselfunktion aus, da sie mit Steuergeldern der Bevölkerung agiert. Entsprechend gross ist die gesellschaftliche Verantwortung im Umgang mit Finanzen. Ethisch unbedenkliches Investment verstehen die Motionärinnen und Motionäre als Pflicht gegenüber der Bevölkerung. Ziel ist, dass die Stadt Bern eine standardisierte Form zur Berücksichtigung ihrer ethischen Verantwortung bei der Aufnahme von Darlehen einhält.

Der Gemeinderat wird daher aufgefordert:

  1. Governance-Regeln für die Aufnahme von kurz- und langfristigen Krediten (Finanzdarlehen) in seinem Kompetenzbereich aufzustellen. Die Governance-Regeln sollen in einem Codex die rechtlichen und ethischen Anforderungen zum Ausdruck bringen, die im Rahmen von Kreditaufnahmeprozessen zu berücksichtigen sind. Für die Ausarbeitung des Codex hat sich der Gemeinderat an die Vorgaben der Geldwäschereigesetzgebung zu halten. Weiter soll er sich an gängigen ESG Investitionsstandards sowie an den zehn Prinzipien des UN Global Compact orientieren.[2]
  2. Die Umsetzung der Motion soll innert eines Jahres nach Annahme erfolgen.

Begründung Dringlichkeit:

Die Fremdverschuldung der Stadt Bern steigt nach wie vor, die Stadt ist entsprechend unmittelbar und dringend auf die Aufnahme von Finanzdarlehen angewiesen, klare Regeln sind so rasch als möglich einzuführen.

[1] https://www.derbund.ch/die-stadt-bern-nutzt-die-fifa-als-bank-421528050542, https://www.srf.ch/news/wirtschaft/fifa-spielt-bank-milliarden-von-der-fifa-fuer-schweizer-gemeinden, https://www.bernerzeitung.ch/stadt-bern-will-nach-fifa-deal-ueber-die-buecher-707724403298,  aufgerufen am 18. Januar 2023.

[2] https://www.unglobalcompact.org/what-is-gc/mission/principles, aufgerufen am 17. Januar 2023.