Berner Altstadt auf bestem Weg zu „Interlaken 2“?
Postulat Fraktion GB/JA! (Regula Tschanz/Stéphanie Penher, GB)
Am 15. September 2015 hat der Grosse Rat die Motion „Untere Altstadt von Bern als Tourismus- gebiet anerkennen“ überwiesen, die den Regierungsrat beauftragt, „dem Grossen Rat eine Ände- rung des Handels- und Gewerbegesetzes (HGG) vorzulegen, welche die untere Altstadt von Bern als Tourismusgebiet bezeichnet oder mindestens speziell behandelt“. Damit sollen Läden von der Nydegg bis zum Zytglogge auch sonntags geöffnet werden können. Für die Umsetzung der Motion wird eine Gesetzesänderung nötig, da gemäss Art. 12 HGG nur ganze Gemeinden zum Touris- musgebiet erklärt werden können.
Die Unterzeichnenden lehnen ein „Interlaken 2“ in der unteren Altstadt, in dem Souvenirshops das traditionelle lokale Gewerbe verdrängen, ab: Es ist gerade der bunte Branchenmix, der den Charme der unteren Altstadt ausmacht. Bei einer Bezeichnung als Tourismusgebiet sind negative Folgen für eine vielfältige Branchenstruktur, das Kleingewerbe, die Angestellten und die Mietzinse absehbar.
Gegen eine Änderung des HGG spricht auch, dass die Stadt Bern selber keine Liberalisierung der Öffnungszeiten will: Der Stadtrat hat eine entsprechende Motion am 19. August 2010 abgelehnt. Auch das Gewerbe in der Berner Altstadt äussert sich gegenüber dem Entscheid des Grossen Rates ablehnend (vgl. Zeitung Der Bund vom 16. September 2015).
Als Grundlage für eine sachgerechte und auf Fakten basierte Diskussion wird der Gemeinderat mit Blick auf eine allfällige Revision des kantonalen Gesetzes über Handel und Gewerbe gebeten, eine unabhängige Expertise zu den Auswirkungen der Bezeichnung der unteren Altstadt als Tourismus- gebiet in Auftrag zu geben und die Erkenntnisse daraus in die Diskussion einzubringen. Die Exper- tise soll die Erfahrung der Städte Luzern und Interlaken berücksichtigten und unter anderem die nachfolgenden Punkte untersuchen:
- Umsetzbarkeit der Bezeichnung der unteren Altstadt als Tourismusgebiet aufgrund von über- geordnetem Recht und Rechtsprechung
- Auswirkungen auf die Branchenstruktur in der unteren und oberen Altstadt
- Auswirkungen auf die Mietzinse in der unteren Altstadt
- Position der verschiedenen Ladenbesitzer in der unteren Altstadt, der Innenstadtorganisationen und der Arbeitnehmendenvertretungen
Begründung der Dringlichkeit
Gemäss Regierungsrat wird für die Umsetzung der Motion „Untere Altstadt von Bern als Tourismusgebiet anerkennen“ eine Gesetzesänderung nötig. Die unabhängige Expertise muss für die weitere Behandlung des Geschäfts auf kantonaler Ebene vorliegen.
Bern, 17.9.2015