
GB und RGM haben bei den Gemeinderatswahlen optimal mobilisiert
Die Wahlen vom vergangenen November waren für das GB und das RGM-Bündnis ein voller Erfolg. Der bürgerliche Angriff auf den Gemeinderat hingegen ist krachend gescheitert. Wie ist das gelungen? Der Politologe Werner Seitz analysiert für uns die Wahlergebnisse.
Bei den jüngsten Gemeinderatswahlen steigerte sich das RGM-Bündnis gegenüber den Wahlen von 2020 um 3,2 Prozentpunkte auf 66,9 Prozent der Stimmen. Mit nur gut 700 Stimmen oder 140 Wahllisten Vorsprung holte RGM erneut vier Mandate für die Stadtregierung. Neben dem historischen Zugewinn von RGM wird im Folgenden auch das sehr gute Abschneiden von Ursina Anderegg (GB) vertieft.
Weil sich bei den jüngsten Gemeinderats- und Stadtratswahlen fast gleich viele Wählende beteiligten (rund 50%), können die Stimmenanteile der beiden Wahlen gut miteinander verglichen werden. Bei den Stadtratswahlen betrugen die addierten Stimmenanteile von SP, Grünen und den kleinen Linksparteien (AL, PdA) 60 Prozent, wie bei den letzten Stadtratswahlen. Werden auch noch die Wahllisten «Tier im Fokus» und «Volt Schweiz» dazugezählt, ergibt dies einen addierten Stimmenanteil der Linken und Grünen von 61,5 Prozent.
Die RGM-Liste strahlte stark ins bürgerliche Lager
Ein Vergleich des Stimmenanteils der Linken und Grünen bei den Stadtratswahlen (61,5%) mit jenem der RGM-Gemeinderatsliste (66,9%) ergibt eine Differenz von mehr als fünf Prozentpunkten. Werden die abgegebenen Stimmen in Anzahl Wähler*innen umgerechnet, heisst das, dass rund 1’700 der 41’500 Wähler*innen, die bei den Stadtratswahlen eine bürgerliche oder rechte Partei gewählt haben, bei den Gemeinderatswahlen für RGM votierten. Es ist den Bürgerlichen also nicht gelungen, alle ihre Wähler*innen von ihrer «meh Farb»-Liste zu überzeugen. Ein Teil von ihnen muss die RGM-Liste eingelegt haben.
Viele RGM-Panaschierstimmen für die «meh Farb»-Liste
Die 138’056 Stimmen, die RGM bei den Gemeinderatswahlen erhalten hat, stammten zu 91 Prozent von RGM-Wahllisten. Zwei Prozent kamen von der «meh Farb»-Liste und 6,5 Prozent von Wahllisten ohne Listenbezeichnung. Bei der «meh Farb»-Liste waren die Panaschierstimmen dagegen zahlreicher: 5’845 oder 8,5 Prozent der insgesamt 68’390 Stimmen stammten von RGM-Listen.
Dieser Unterschied der Panaschierstimmenflüsse dürfte auch damit zu tun haben, dass RGM auf ihrer Wahlliste nur vier Zeilen mit Namen von Kandidierenden füllte, was zum Panaschieren (oder Kumulieren) einlud. Davon dürfte vor allem die Grünliberale Melanie Mettler profitiert haben – und Ursina Anderegg (dazu weiter unten mehr).
Jede fünfte Stimme von Melanie Mettler kam von RGM
Auf den «meh Farb»-Wahllisten erhielt nicht Melanie Mettler, sondern Florence Pärli die meisten Stimmen. Melanie Mettler verdankt ihr Spitzenergebnis daher den Panaschierstimmen von RGM (3’637) und den Listen ohne Bezeichnung (3’273). Ihre RGM-Panaschierstimmen übertrafen die Summe der RGM-Panaschierstimmen der vier bürgerlichen Mitkandiderenden um über 1000 Stimmen. Etwas weniger deutlich distanzierte Melanie Mettler ihre Mitkandidierenden bei den Stimmen von Listen ohne Bezeichnung. Somit waren es – zusammen mit den Listen ohne Bezeichnung – insbesondere die RGM-Panaschierstimmen, die das Statement der «meh Farb»-Wählenden für Florence Pärli umstiessen und den Ausschlag für Melanie Mettler gaben.
Schwache Mobilisierung der «meh Farb»-Liste
Melanie Mettler (GLP) erzielte das beste Ergebnis auf der «meh Farb»-Liste (17’260 Stimmen) und distanzierte die Zweitbeste, Florence Pärli (FDP), um fast 4’000 Stimmen und die Letztplatzierte, Bettina Jans (EVP), gar um rund 8’500 Stimmen. Diese breite Streuung der Wahlergebnisse weist darauf hin, dass die «meh Farb»-Liste nicht besonders als Einheit wahrgenommen wurde. Unterstrichen wird dies auch durch die Feststellung, dass keine einzige der fünf Kandidat*innen per Saldo von jeder abgegeben «meh Farb»-Liste eine Stimme erhalten hat. Am häufigsten gestrichen wurde Bettina Jans (auf 4’100 Listen), am wenigsten Florence Pärli (auf knapp 500 Listen).
Relativ kompakte RGM-Liste
Anders als die «meh Farb»-Liste wurde die RGM-Liste – trotz Stapi-Zoff – besser als Einheit wahrgenommen. Die Stimmendifferenz zwischen Marieke Kruit als Listen-Erste und Alec von Graffenried als Listen-Letzten betrug nur rund 4’200 Stimmen. Auch der Vergleich, auf wie vielen RGM-Wahllisten die RGM-Kandidierenden Stimmen erhielten, fällt ebenfalls mehrheitlich positiv aus: Ursina Anderegg und Marieke Kruit wurden per Saldo auf 2’500 bzw. 2’200 RGM-Listen zwei Mal aufgeführt. Eine leicht negative Bilanz weist Matthias Aebischer auf. Stärker gestrichen wurde Alec von Graffenried (auf rund 1’900 RGM-Listen). Dieses Muster zeigt sich mit kleinen Unterschieden auch in den Zählkreisen.
Mit Ursina Anderegg holte die Linkste am meisten RGM-Stimmen
Die meisten Stimmen von den RGM-Listen gingen an Ursina Anderegg (28’615). Von den Listen ohne Bezeichnung (1’682) und von der «meh Farb»-Liste (223) erhielt sie dagegen am wenigsten Stimmen. Dies belegt einerseits ihre klar linke Positionierung und bezeugt andererseits die legendären Mobilisierungsfähigkeit des GB innerhalb von RGM.
Marieke Kruit holte ihren Spitzenplatz dank der zweitmeisten Stimmen von der RGM-Liste und der meisten Stimmen von den Listen ohne Bezeichnung. Weniger gut abgeschnitten haben die beiden RGM-Kandidaten: Matthias Aebischer kam bei allen drei Stimmentypen auf Platz drei. Alec von Graffenried erhielt von den RGM-Listen die wenigsten Stimmen und vermochte diesen Rückstand auch bei den Panaschierstimmen nicht wettzumachen.
Werner Seitz, Politologe