Voll- oder Teilkapitalisierung für die Personalvorsorgekasse der Stadt Bern?
Dringliche Interpellation GB/JA! (Regula Tschanz, GB)
Die neuen BVG-Vorschriften für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen sehen vor, dass diese künftig entweder im System der Vollkapitalisierung oder der Teilkapitalisierung geführt werden. Die Wahl der Teilkapitalisierung ist jedoch nur bis Ende 2013 möglich. Wenn bis dahin kein Entscheid vorliegt, gilt automatisch das System der Vollkapitalisierung (Deckungsgrad von mindestens 100 Prozent innerhalb von maximal zehn Jahren).
Die neuen BVG-Bestimmungen stellen derzeit landauf landab kantonale und kommunale Pensionskassen vor Herausforderungen. Im Rahmen grosser Gesetzgebungsprozesse werden Lösungen und Antworten auf die neue Situation gesucht. Aus der Stadt Bern war bisher jedoch kaum etwas über diese Problematik zu hören.
Im ersten Zwischenbericht zur interfraktionellen Motion „Die Zukunft der städtischen Pensionskasse sichern!“ vom 20. März 2013 schreibt der Gemeinderat einzig, dass sich die Verwaltungskommission (VK) der Personalvorsorgekasse der Stadt Bern (PVK) bis Ende Jahr für ein Modell entscheiden werde. Zwar ist dies mit dem BVG (Art. 72a) kompatibel. Gleichwohl wirft dies angesichts der beträchtlichen finanziellen Auswirkungen Fragen auf. Der Kapitalisierungsentscheid hat nicht nur grosse Auswirkungen auf die PVK und die Versicherten, sondern ebenso auf die öffentliche Hand. So würde ein Entscheid zugunsten der Vollkapitalisierung unter Umständen die Erhebung beträchtlicher Sanierungsbeiträge für die Arbeitgeber und die ArbeitnehmerInnen nach sich ziehen. Alternativ ist eine Ausfinanzierung der Kasse oder eine Schuldanerkennung denkbar. Eine Absenkung des technischen Zinssatzes würde die Deckungslücke gar noch vergrössern. Es ist deshalb wichtig, dass der Stadtrat sauber über die anstehenden Entscheide informiert und wenn nötig involviert wird.
Angesichts der Situation der PVK erscheint alles andere als eine Wahl der Teilkapitalisierung als problematisch. Am 31.12.2012 wies die PVK – bei einem technischen Zinssatz von 3,75 Prozent – einen Deckungsgrad von 94,4 Prozent auf (bei technischem Zinssatz von 3 Prozent rund 85 Prozent Deckungsgrad). Bei einem Deckungsgrad von unter 90 Prozent muss die PVK gemäss Art. 24 PVR Sanierungsmassnahmen ergreifen.
Schliesslich stellt sich die Frage, ob alle notwendigen Vorkehrungen (rechtliche Grundlagen, Berechnungen, Erarbeitung Finanzierungspläne) getroffen wurden, damit die Stadt Bern der Aufsichtsbehörde rechtzeitig die Wahl des Teilkapitalisierungsmodells anmelden kann.
Der Gemeinderat wird vor diesem Hintergrund um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
Zum bisherigen und künftigen Vorgehen
1. Wann wurden die aufgrund der neuen BVG-Vorschriften nötigen Arbeiten an die Hand genommen? Wann haben die ersten entsprechenden Gespräche zwischen Gemeinderat und VK der PVK stattgefunden?2. Wie sieht der Zeitplan des Gemeinderates bezüglich des Entscheids zwischen Voll- und Teilkapitalisierung bis Ende dieses Jahres aus?3. Wieso hat es der Gemeinderat bisher unterlassen, den Stadtrat in einem etwas ausführlicheren Rahmen über die anstehenden Entscheide und ihre finanziellen Implika-tionen zu informieren?
Zum Wahlentscheid zwischen Voll- und Teilkapitalisierung
4. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinderat und der VK der PVK bezüglich des Wahlentscheids zwischen Teilkapitalisierung und Vollkapitalisierung aus? 5. Liegen dem Gemeinderat Berechnungen vor, welche Kosten das Modell der Vollkapi-talisierung nach sich zöge? Wie hoch liegen diese? Hat der Gemeinderat Vorstellungen und Vorschläge, wie die Kosten bei der Vollkapitalisierung getragen würden (Sanierungsbeiträge, Leistungsverschlechterungen, Schuldanerkennung mit Verzinsung, Ausfinanzierung etc.)? Wie hoch wäre die Belastung für die Versicherten? Wie hoch wäre die Belastung für die Stadt Bern? 6. Hat der Gemeinderat eine Präferenz für das Modell der Teilkapitalisierung oder der Vollkapitalisierung? Wie sieht diese aus? Wie gedenkt der Gemeinderat sicherzustellen, dass das aus seiner Sicht vorteilhaftere Modell gewählt wird? 7. Liegen dem Gemeinderat Modelle vor, wie eine Teilkapitalisierung ausgestaltet werden könnte? Existieren entsprechende Finanzierungspläne? Auf welcher Höhe gedenkt der Gemeinderat bzw. die PVK den Zieldeckungsgrad festzulegen? Wäre der Gemeinderat bereit, im Modell der Teilkapitalisierung durch die entsprechende Festlegung des Zieldeckungsgrades eine Wertschwankungsreserve zu schaffen? 8. Sind alle Vorkehren getroffen, dass bis Ende Jahr die Wahl des Teilkapitalisierungs-modells erfolgreich angemeldet werden kann? Kann der Gemeinderat garantieren, dass dies nicht an terminlichen Problemen scheitern wird? Sind zur Umsetzung der Teilkapitalisierung noch gesetzgeberische Anpassungen nötig? Wäre ein Teilkapitali-sierungsmodell mit einem Ausgangs- und Zieldeckungsgrad unter 90 Prozent mit der Bestimmung von Art. 24 PVR vereinbar?
Zum technischen Zinssatz
9. Ist der Gemeinderat über die Vorstellungen der PVK über die adäquate Höhe des technischen Zinssatzes informiert? Wie hoch sollte dieser zu liegen kommen?
Begründung der Dringlichkeit: Der Entscheid über Vollkapitalisierung oder Teilkapitalisierung muss bis spätestens 31.12.2013 erfolgen. Der Entscheid hat massive finanzielle Implikationen für alle Beteiligten: die Stadt als Arbeitgeberin, die Stadt als Trägerin der PVK und die Versicherten bei der PVK. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass das Stadtparlament über die anstehenden Ent-scheide und Modelle frühzeitig informiert und wenn nötig involviert wird.
Bern, 20. Juni 2013