Dringliche Interfraktionelle Motion SP, AL/GPD-DA/PdA+, GB/JA!, GLP (Martin Krebs SP/ Christa Ammann, AL / Seraina Patzen JA! / Melanie Mettler GLP) sowie Matthias Stürmer EVP

Auf zwei der Parkplätze des Standplatzes in Buech hat eine Partei ein Mobilhome abgestellt. Die Direktion für Finanzen, Personal und Informatik hat über die Dienststelle Immobilien Stadt Bern (ISB) dazu aufgefordert, das Mobilhome innert einer bestimmten Frist wieder zu entfernen und im Unterlassungsfall weitere rechtliche Schritte angedroht.

Die Schweiz hat am 21. Oktober 1998 das Rahmenübereinkommen des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten (SR 0.441.1) ratifiziert. In seiner Botschaft vom 19. November 1997 an das Parlament (BBl 1998 1293, FF 1998 1033) hat der Bundesrat ausdrücklich festgehalten, dass die schweizerischen Fahrenden eine nationale Minderheit im Sinne des Rahmenübereinkommens bilden. Damit verpflichtet sich die Schweiz, die Bedingungen zu fördern, die es den Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln.

Die Fahrenden als Bevölkerungsgruppe mit schweizerischer Staatsangehörigkeit und einer wirtschaftlich und kulturell auf Nichtsesshaftigkeit ausgerichteten Lebensweise gelten als geschützte nationale Minderheit. Dass die geltende Rechtsordnung gegenüber den Fahrenden als nationaler Minderheit zumindest indirekte Diskriminierungen etwa im Bereich der Raumplanung und Baupolizei, im Bereich der Gewerbepolizei sowie der Schulpflicht enthält, kann als erwiesen gelten.

Am 28. März 2003 hat das Bundesgericht in seinem Urteil (1A.205/2002) ausdrücklich das Recht der Fahrenden auf angemessene Haltemöglichkeiten[1] anerkannt. So sind geeignete Zonen und Standorte vorzusehen, die den Fahrenden eine ihren Traditionen entsprechende Lebensweise ermöglichen. Sollte sich dafür keine bestehende Zone eignen, sind die planungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen.

Für seit Jahren in Bern fest wohnende Fahrende konnte eine dauerhafte Lösung mit  Standplatz in Buech gefunden werden.

Durch die Gründung neuer Familien ist aber der Platz auf dem Standplatz in Buech knapp geworden, so dass neu gegründete Familien keine Parzelle mehr belegen können. Entsprechend musste ein Mobilhome auf der Parkplatzfläche – diese steht ausschliesslich den AnwohnerInnen des Standplatzes zur Verfügung – abgestellt werden. Entgegen den Aussagen des Direktors der FPI wird dies vom Komitee 2016 Bern Buech toleriert, da sonst junge Familien keine Möglichkeiten haben, einen eigenen Haushalt zu gründen.

Die Haltung der Direktion für Finanzen, Personal und Informatik FPI, welche die zonengerechte Benutzung der in den Standplatz Buech integrierten Parkfelder verlangt und mit der Räumung des dort abgestellten Mobilhomes droht, ist stossend. Sie tangiert das Grundrecht der Fahrenden auf die Ausübung ihrer Lebensweise. Die angedrohte Räumung ist unverhältnismässig und entbehrt jeglicher auf eine pragmatische Problemlösung gerichteter Haltung.

Begründung der Dringlichkeit: Es handelt sich um ein drängendes Problem und eine rasche Richtigstellung des Sachverhaltes nötig. Die FPI hat bereits eine Räumungsverfügung erlassen und die Zwangsräumung angedroht.

Der Gemeinderat wird aufgefordert:

1.     Von einer Räumung und von jeglicher Gewalt gegen Personen und Sachen abzusehen.

2.     Die planerischen Arbeiten für eine Erweiterung des Standplatzes Buech oder eines weiteren Standplatzes aufzunehmen.

 

23. Juni 2016

[1] Ein Standplatz ist eine Anlage, die v.a. während der Wintermonate ständig benutzt wird, ein Durchgangsplatz ein Standort für den kurzfristigen Aufenthalt während der Reisezeit von Frühling bis Herbst.