Kirchliche Gemeinschaftszentren sollen auch künftig für Gemeinwesenarbeit benützt werden können
Dringliche Interfraktionelle Motion FDP, SP, BDP/CVP, GFL/EVP, GB/JA!, SVP (Bernhard Eicher FDP/Rithy Chheng SP/Kurt Hirsbrunner, BDP/Claudio Fischer, CVP/Janine Wicki, GFL/Bettina Jans-Troxler, EVP/Regula Tschanz, GB/Seraina Patzen, JA!/Ueli Jaisli, SVP):
Aufgrund von Sparmassnahmen denkt der Kirchgemeinderat der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Petrus laut über eine Schliessung des kirchlichen Gemeinschaftszentrums „Treffpunkt
Wittigkofen“, welches Teil des Zentrums Wittigkofen ist, nach. Konkret soll die entsprechende Liegenschaft verkauft werden. Die Räumlichkeiten werden aber nicht nur von kirchlichen Institutionen, sondern auch von im Quartier engagierten Organisationen benützt. So zum Beispiel vom Quartierverein Wittigkofen (www.gv-wittigkofen.ch). Der Verein veranstaltet unter anderem Flohmärkte, 1.-August-Umzüge, Jass-Turniere sowie Räbeliechtli-Schnitzete und bietet weitere Dienstleistungen wie den Verkauf von SBB-Tageskarten an. Besagte Räumlichkeiten können zudem für individuelle Quartieranlässe kostengünstig gemietet werden. Mit einer Schliessung des kirchlichen Gemeinschaftszentrums „Treffpunkt Wittigkofen“ wären all diese für den Zusammenhalt im Quartier wichtigen Aktivitäten gefährdet.
Die Angst vor einer Schliessung respektive vor einem Verkauf eines kirchlichen Gemeinschaftszentrums geht nicht nur im Quartier Wittigkofen um. Eine praktisch identische Situation ist im Kleefeld betreffend „Chleehus“ zu beobachten (vgl. dazu Motion 2014.SR.000344). Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation diverser Kirchgemeinden ist davon auszugehen, dass die Schliessung respektive der Verkauf weiterer kirchlicher Gemeinschaftszentren drohen. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass diese Zentren nicht ausschliesslich zu kirchlichen Zwecken genutzt wurden, sondern eng mit dem Engagement von Quartiervereinen verknüpft sind.
Ein Verlust der gesellschaftlich wichtigen Quartierarbeit, meist geleistet durch kleine Vereine und mit viel Freiwilligenarbeit, kann nicht im Interesse der Stadt Bern liegen. Die Motionärinnen und Motionäre fordern den Gemeinderat deshalb auf, erstens den oben beschriebenen Fall des „Treffpunkt Wittigkofen“ anzugehen und sich zweitens für eine gesamtheitliche Lösung stark zu machen. Konkret wird der Gemeinderat beauftragt:
1. sich bei der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Petrus, der evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde der Stadt Bern sowie bei einem allfälligen Käufer dafür einzusetzen,
dass der „Treffpunkt Wittigkofen“ weiterhin für Gemeinwesenarbeit von Quartiervereinen zur Verfügung steht.
2. mit der evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde der Stadt Bern eine gesamtheitliche Lösung für sämtliche gefährdeten kirchlichen Gemeinschaftszentren auf städtischem Boden zu suchen.
Begründung der Dringlichkeit
Der Verkauf der Liegenschaft „Treffpunkt Wittigkofen“ soll in den nächsten Monaten angegangen werden. Soll sich das Parlament noch rechtzeitig zur Thematik äussern und der Gemeinderat anschliessend aktiv werden können, ist Dringlichkeit vonnöten.
Bern, 27. August 2015
Erstunterzeichnende: Bernhard Eicher, Rithy Chheng, Claudio Fischer, Janine Wicki, Bettina Jans-Troxler, Regula Tschanz, Seraina Patzen, Ueli Jaisli, Kurt Hirsbrunner
Mitunterzeichnende: Mario Imhof, Jacqueline Gafner Wasem, Hans Ulrich Gränicher, Roland Jakob, Dannie Jost, Barbara Freiburghaus, Henri-Charles Beuchat, Kurt Rüegsegger, Roger Mischler, Roland Iseli, Manfred Blaser, Andrin Soppelsa, Philip Kohli, Lionel Gaudy, Hans Kupferschmid, Isabelle Heer, Matthias Stürmer, Tania Espinoza Haller, Lukas Gutzwiller, Daniel Klauser, Katharina Gallizzi, Christine Michel, Cristina Anliker-Mansour, Franziska Grossenbacher, Regula Bühlmann, Stéphanie Penher, Johannes Wartenweiler, Bettina Stüssi, Michael Sutter, Annette Lehmann, Ingrid Kissling-Näf, David Stampfli, Katharina Altas, Yasemin Cevik, Nadja Kehrli-Feldmann, Gisela Vollmer, Ueli Jaisli, Benno Frauchiger
Antwort des Gemeinderats
Mit der Motion wird beantragt, dass sich der Gemeinderat bei der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Petrus dafür einsetzen soll, dass der Treffpunkt Wittigkofen weiterhin für Gemeinwesenarbeit von Quartiervereinen zur Verfügung steht, und dass der Gemeinderat mit der evangelischreformierten
Gesamtkirchgemeinde eine gesamtheitliche Lösung für sämtliche gefährdeten kirchlichen Gemeinschaftszentren auf städtischem Boden suchen soll. Gemäss Artikel 96 der Gemeindeordnung der Stadt Bern vom 3. Dezember 1998 (GO; SSSB101.1) vertritt der Gemeinderat die Stadt gegen aussen. Er ist somit auch zuständig für die Vornahme der mit der Motion geforderten Verhandlungen mit der Kirchgemeinde Petrus respektive der Gesamtkirchgemeinde. Vorbehalten sind im Anschluss an die Verhandlungen allenfalls notwendige Finanzbeschlüsse, falls die Verhandlungen zu Lösungen führen sollten, die ein finanzielles Engagement der Stadt erfordern. Solche Finanzbeschlüsse wären mit separatem Beschluss durch das gemäss den ordentlichen Ausgabenbefugnissen kompetente Organ zu beschliessen.
Der Inhalt der vorliegenden Motion betrifft somit inhaltlich einen Bereich, der in der Zuständigkeit des Gemeinderats liegt. Der Motion kommt deshalb der Charakter einer Richtlinie zu. Sollte die Motion erheblich erklärt werden, ist sie für den Gemeinderat nicht bindend. Er hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grads der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrags. Zudem bleibt die Entscheidverantwortung beim Gemeinderat.
Der Gemeinderat verfolgt die Situation bezüglich der Strukturüberprüfung bei den evangelischreformierten
Kirchgemeinden und den damit verbundenen Folgen für die kirchlichen Gemeinschaftszentren und für die Stadtbevölkerung ebenfalls mit Sorge. Wie bereits beim Chleehus ist auch mit dem Treffpunkt Wittigkofen ein kirchliches Gemeinschaftszentrum betroffen, das als integrierter Teil einer Gesamtüberbauung für den Zusammenhalt und die Lebensqualität im Quartier wesentlich ist. Der Gemeinderat strebt für die betroffenen Siedlungen und die in den Treffräumen angesiedelten Angebote angemessene Lösungen an.
In Wittigkofen hat der Kirchgemeinderat Petrus im Juni 2015 entschieden, die Räumlichkeiten per 2016 nicht mehr bei der Gesamtkirchgemeinde zu mieten und sich somit finanziell zu entlasten. Hingegen stehen die sozialen Angebote der Kirche selbst nicht zur Diskussion, diese sollen voraussichtlich im bisherigen Umfang weitergeführt werden. Im Treffpunkt Wittigkofen ist neben den in
der Motion genannten Angeboten auch der Trägerverein für die offene Jugendarbeit TOJ mit dem Jugendtreff Wittigkofen als Untermieter von der weiteren Entwicklung betroffen. Nach ersten Rückmeldungen der Gesamtkirchgemeinde Bern ist diese bemüht, für den Quartiertreff eine Lösung zu finden, damit die bestehenden Angebote möglichst in gleicher Form weitergeführt werden
können. Der Gemeinderat ist bereit, sich mit der Kirchgemeinde Petrus und der Gesamtkirchgemeinde in Verbindung setzen, um im Sinne der Motion eine Lösung zu finden.
Der Gemeinderat ist gewillt, auch für weitere gefährdete Gemeinschaftszentren der evangelischreformierten Kirchgemeinden gemeinsam mit der Gesamtkirchgemeinde nach angemessenen Lösungen zu suchen. Dabei steht einerseits die Nutzung dieser Zentren als Schulräumlichkeiten oder für die Kinderbetreuung zur Diskussion, andererseits ist auch in Verbindung mit den Trägerschaften der Gemeinwesenarbeit und der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu prüfen, in welcher Form diese allenfalls zu Lösungen beitragen können.
Folgen für das Personal und die Finanzen
Für das Personal sind keine Folgen zu erwarten. Sollten finanzielle Leistungen zur Sicherung des Weiterbetriebs des Treffpunkts Wittigkofen oder anderer bisher durch die Kirchgemeinden betriebenen Gemeinschaftszentren zur Diskussion stehen, werden die Kostenfolgen dem zuständigen Organ separat zum Beschluss vorgelegt.
Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion als Richtlinie erheblich zu erklären.
Bern, 21. Oktober 2015
Der Gemeinderat