Interpellation Fraktion GB/JA! (Seraina Patzen, JA!)

Am Donnerstag, 8. Oktober 2015, gab der Gemeinderat in einer Medienmitteilung bekannt, den für Samstag, 10. Oktober, angekündigten antifaschistischen Abendspaziergang nicht zu tolerieren. Begründet hat er das Verbot der Demonstration mit der im Dezember 2014 erlassenen Regelung, vor den eidgenössischen Wahlen nur Platzkundgebungen zu bewilligen.

Mit dem Entscheid setzte der Gemeinderat von Beginn an auf Konfrontation anstelle von Deeskalation. In der Vergangenheit wurden mit einer pragmatischen Bewilligung des antifaschistischen Abendspazierganges gute Erfahrungen gemacht, wie Gemeinderat Reto Nause selber 2010 gegenüber verschiedenen Medien betonte. Von der hohen Toleranz gegenüber Kundgebungen, die für eine Stadt wie Bern selbstverständlich sein sollte, ist heute nichts mehr zu spüren.

Um die Kundgebung am Samstag tatsächlich zu verhindern, wurden schon am Nachmittag eine hohe Zahl an Polizist_innen und Kastenwagen aufgeboten, sogar mehrere Wasserwerfer standen bereit. Es kam zu willkürlichen Personenkontrollen und mündlichen Wegweisungen.

Die Interpellantin kritisiert aber nicht nur das Verbot des antifaschistischen Abendspaziergangs und den unverhältnismässigen Polizeieinsatz scharf, auch die Regelung vor den Wahlen nur Platzkundgebungen zu bewilligen, ist unvereinbar mit den Grundrechten auf Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit.

Der Gemeinderat wird deshalb gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

1.Welches ist die rechtliche Grundlage für die Regelung, vor den Wahlen nur Platzkundgebungen zu bewilligen?

2. Sollte der Gemeinderat die Absicht haben, diese «Spielregeln» vor den Wahlen nun immer durchsetzen, müsste er sie nicht ins Kundgebungsreglement aufnehmen?

3.Diese Regelung betrifft eigentlich nur Wahlkundgebungen. Wieso wurde das Verbot des antifaschistischen Abendspazierganges ebenfalls mit diesem Entscheid des Gemeinderates begründet, obwohl es sich nicht um eine Wahlkundgebung handelt?

4. In der Vergangenheit wurde der antifaschistische Abendspaziergang toleriert, mit dieser pragmatischen Lösung wurden gute Erfahrungen gemacht. Wann wird der Gemeinderat wieder zu diesem unaufgeregten, pragmatischen und deeskalativen Umgang mit (unbewilligten) Demonstrationen zurückkehren?

5. Wie steht der Gemeinderat der Praxis gegenüber, dass die Polizei am Samstag seit dem Nachmittag willkürlich Personen in der Innenstadt kontrollierte und durchsuchte?

6. Am Samstag ist es gegenüber Jugendlichen zu mündlichen Wegweisungen gekommen. Was unternimmt der Gemeinderat gegen diese rechtlich bedenkliche Praxis der Kantonspolizei auf Stadtgebiet?

7. Wie viele Polizist_innen standen am Samstag, 10. Oktober, im Einsatz? Was kostete das massive Polizeiaufgebot?

Bern, 15.10.2015