Motion GB/JA! (Stéphanie Penher, GB/ Lea Bill, JA!)

Die Zukunft auf der Industriebrache ist schon lange pendent gewesen bevor das internationale Bauunternehmen Losinger Marazzi die Planung des Gaswerkareals initiiert und finanziert hat. Nach drei Workshops sollen die Ergebnisse nun in einer Testplanung unter der Federführung des Bauunternehmens konkretisiert werden. Ein neu entwickelter Standardkatalog „Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz“ soll befolgt werden. Das Unternehmen will auf der zentrumsnahen Industriebrache ein neues Stadtquartier bauen.

Die Pläne von Losinger Marazzi stossen bei mehreren Beteiligten auf Wohlwollen:

Zum einen zeigt sich die Grundeigentümerin des Gaswerkareals, die ewb, von den Plänen des Bauunternehmers angetan, weil für sie die Verbindung des Bauprojektes und der anstehende Sanierung des mit Teerschlamm verseuchten Bodens ökonomische Vorteile aufweist.

Zum anderen begrüsst der Gemeinderat eine Vereinbarung, wonach Losinger Marazzi das gesamte Areal auf eigene Kosten entwickelt und im Gegenzug die Bauten als Generalunternehmer realisiert – vorausgesetzt, die Planung und notwendige Umzonung werden in einer Volksabstimmung genehmigt. Das Wohlwollen des Gemeinderats beruht wohl auch darauf, dass die Entwicklung des Areals kein einfaches Unternehmen ist.

Bei aller Euphorie gehen folgende Tatsachen vergessen:

Das Areal des alten Gaswerks hat aufgrund seiner exponierten Lage und Geschichte für Bern eine grosse Bedeutung. Seit dem Ende der Gasproduktion 1967 konnten sich nicht nur die Natur auf der 55’000m2 Fläche entfalten, sondern auch die seither gewonnenen Freiräume: die Theater- und Konzerthalle der Dampfzentrale und der Gaskessel sowie Kreativbetriebe und Kunstschaffende in der alten Ryff-Fabrik. Aber auch die Entstehung des Freien Landes Zaffaraya, dessen gewaltsame Räumung 1987 und die daraus entstandenen Bewegungen und Freiräume gehören dazu und sind ein wichtiger Teil der Berner Geschichte.

Zudem ist das Areal Teil des Aareraumes, für den besondere Planungsvorschriften gelten. Der öffentliche Fussweg entlang der Aare, der Veloweg auf dem ehemaligen Trassee der Gaswerkbahn, das bestehende Biotop und die Waldflachen sowie die landschaftlich wertvolle Hangkante im Süden des Areals scheiden als Bauflächen von vornherein aus.

Dazu kommen erschwerende Rahmenbedingungen, wie die mangelhafte Verkehrsanbindung an die obere Ebene der Stadt sowie die intensive Freizeitnutzung des Areals

Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die Stadt die Planung des Gaswerkareals aus der Hand gibt. Die Weichen für die Planung der letzten grossen zentrumsnahen Freifläche von Bern und die darauf gewachsenen Qualitäten sowie die entstandenen Freiräume müssen durch die Stadt gestellt werden und dürfen nicht einem privaten Investor überlassen werden.

Es ist eine schwierige Planung, weil hier in hohem Masse unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. Umso wichtiger sind dabei ein transparenter Prozess und eine nachhaltige Planung, welche ohne Zeitdruck in Angriff genommen wird. Und dies ist auch möglich und finanziell abgesichert. Schliesslich hat die EWB für die Sanierung der Altlasten bereits explizit Rückstellungen in der Höhe von 20 Mio. Franken getätigt. Es gibt also keinen Grund für den angeblichen grossen Zeitdruck und es ist Aufgabe der Stadt, den Prozess zu entschleunigen.

Aufgrund der oben beschriebenen Sachverhalte ersuchen wir den Gemeinderat folgende Massnahmen umzusetzen:

1. Die planerischen Grundlagen zu schaffen, die Art und Mass der Nutzung definieren, dabei auch verdichtetes Bauen ermöglichen und die Uferschutzzone einhalten.

2. Grundsätzlich am Standort der bestehenden Kulturinstitutionen festzuhalten und zusätzlich auch eine gewerbliche Nutzung zu ermöglichen.

3. Die betroffenen AkteurInnen (kulturelle Institutionen, Quartierorganisationen, etc.) aktiv in die Planung einzubeziehen.

4. Die nötige Lärmschutzsanierung des Gaskessels einzuleiten, besonders wenn in Zukunft Wohnraum in der Umgebung entstehen soll.

5. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sicherzustellen.

6. Ein Anteil von mind. 50% gemeinnützigen Wohnbauträgern abzugeben.

7. Ökologische Baustandards einzuhalten.

Bern, 17. Oktober 2013