Verhältnismässigkeit und Zweckmässigkeit bei Polizeieinsätzen einhalten.
Interpellation Fraktion GB/JA! (Leena Schmitter, GB); sowie Christa Ammann, AL
Am 29. März 2014 wurden in der Stadt Bern zahlreiche Menschen unverhältnismässig oft angehalten und verhaftet. Gemäss Beobachtungen des Legal-Teams der Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern wurden im Bahnhof Bern zahlreiche Menschen herausgegriffen. Die Betroffenen mussten sich ausweisen und wurden – in den vom Team beobachteten Fällen – im Anschluss gefilmt und häufig auch am ganzen Körper abgetastet.
Es stellen sich nun Fragen nach der Verhältnismässigkeit und Zweckmässigkeit, nach der Qualität, Rechtskonformität und Verständlichkeit der Informationen, welche die im Einsatz stehenden Polizist_innen den kontrollierten Personen gaben, sowie danach, was mit diesen Personendaten in Zukunft geschieht. Insbesondere das massive Polizeiaufgebot und die Videoaufnahmen, welche die Polizei von Einzelpersonen im Bahnhof Bern erstellt hat scheinen unverhältnis- und unzweckmässig. Auch die rechtsstaatlichen Prinzipien der Unschuldsvermutung und des Persönlichkeitsschutzes sind gefährdet.
Wir bitten deshalb, den Gemeinderat folgende Fragen zu beantworten:
1. Was waren die konkreten Inhalte der Strategie des Gemeinderates?
a) Aufgrund welcher Überlegungen entschied sich der Sicherheitsdirektor für diese Strategie?
b) Wie wurde das massive Polizeiaufgebot im Gemeinderat begründet?
c) Weshalb entschied sich der Gemeinderat trotz Rückzug der Kundgebungen für das massive Polizeiaufgebot?
2. An welchen Standorten in der Stadt hat die Polizei Video- resp. Bildaufnahmen von Einzelpersonen, die sich ausweisen konnten, erstellt?
a) An welchen Standorten in der Stadt hat die Polizei Video- und Bildaufnahmen von Menschenansammlungen – oder Ähnlichem – gemacht?
b) Was war resp. ist der Zweck dieser Einzelaufnahmen?
c) Was waren die internen Kriterien an die Polizei, wer aufgenommen wird?
d) Was geschieht mit den Aufnahmen? Wer (Personen / Instanzen) hat Zugang zum Filmmaterial?
e) Wann werden diese gelöscht?
f) Auf welche rechtliche Grundlage bezieht sich dieses Vorgehen?
3. Nach welchen Kriterien wurden die Menschen angehalten oder kontrolliert?
a) Wer entschied in der konkreten Situation wer aufgrund welcher Eigenschaften angehalten oder kontrolliert wurde?
b) Wie wurden die Polizist_innen im Einsatz vorbereitet, um die angehaltenen oder kontrollierten Personen richtig und rechtskonform zu informieren?
c) Was waren die internen Kriterien an die Polizei, wer kontrolliert werden muss?
d) Weshalb hat man den schon einmal Kontrollierten nicht etwas mit gegeben, das sie als schon Kontrollierte ausgewiesen hätte?
e) Bei wie vielen Personen, die vorübergehend angehalten worden sind, wurde ein Gegenstand sichergestellt?
f) Kam es im Rahmen des Polizeieinsatzes auch zu Anzeigen gegen kontrollierte und/oder angehaltene Personen? Aufgrund welcher Gesetzesüberschreitungen?
4. Falls keine (internen) Kriterien zur Anhaltung und Kontrolle festgelegt worden sind:
a) Welche Massnahmen werden ergriffen, um Personen vor willkürlichen Anhaltungen und Kontrollen zu schützen?
b) In welchem Rahmen werden Vorurteile und Typisierungen von Menschen innerhalb der Ausbildung der Polizisten thematisiert und während ihrer beruflichen Tätigkeit reflektiert?
5. Wie viele formelle oder informelle Rayonverbote wurden ausgesprochen?
6. Am Einsatz waren auch zahlreiche ausserkantonale Polizeicorps beteiligt.
a) Wie viele Polizist_innen aus welchen Kantonen standen insgesamt im Einsatz?
b) Wie stellt die Kantonspolizei resp. die Stadt sicher, dass die ausserkantonalen Corpsmitglieder die relevanten kantonalen und städtischen gesetzlichen Grundlagen kennen?
c) Wie wird sichergestellt, dass die ausserkantonalen Corpsmitglieder wissen, was sie dürfen und was nicht?
d) Von wem erhalten die ausserkantonalen Corpsmitglieder ihre Instruktionen?
7. Gestützt auf welche gesetzliche Grundlage wurden die Personen, die sich mit Identitätsdokumenten ausweisen konnten, mehrere Stunden in polizeilichen Gewahrsam genommen?
a) Wurden die Angehörigen der linken und rechten Gruppierungen, die in Gewahrsam genommen wurden, getrennt untergebracht? Falls ja: nach welchen Kriterien hat man entschieden, wer wohin kommt?
b) Was geschieht mit den Daten der in Polizeigewahrsam gebrachten Personen?
8. Bis zu welcher Ebene haben die Leiter_innen resp. Zugführer_innen der jeweiligen Gruppe vom Namen des Einsatzleiters Kenntnis?
a) Darf der Name des Einsatzleiters an „Aussenstehende“ wie etwa Vertreter_innen und Parteien oder Organisationen, weitergegeben werden?
9. Wie viel kostet der Polizeieinsatz gesamthaft (aufgeteilt nach Überwachungen im Vorfeld und dem Einsatz vom Samstag, 29.3.2014)?
Bern, 3.4.2014