Interpellation Fraktion GB/JA! (Seraina Patzen JA!, Leena Schmitter, GB)

Die WOZ hat heute unter dem Titel „Amtlich bewilligter Polizeiterror“ eine Recherche über mehrere Hausdurchsuchungen im Raum Bern veröffentlicht. In diesen Einsätzen wurden die Grundrechte der Bewohner_innen massiv verletzt, die Einsätze sind wohl teilweise widerrechtlich abgelaufen. Die Polizei ging unnötig brutal vor, Ziel und Zweck der bewaffneten Einsätze ist nicht ersichtlich.

Am Samstag, dem 12. September, prallten in Bern Kurd_innen und nationalistische Türk_innen aufeinander und es wurden bedauerlicher- und erschreckenderweise 22 Menschen verletzt. Die Polizei schätze das Gewaltpotenzial der Demonstrationen im Vorfeld offenbar falsch ein und war nicht in der Lage, die Gewalt gegen Menschen zu verhindern. Mit einer deeskalativen Strategie hätte der gefährliche und unkoordinierte Einsatz von Gummischrot und Pfefferspray Seitens der Polizei möglicherweise verhindert werden können.

Am Dienstag, 15. September, sammelten pro-kurdische Sympathisant_innen unter dem Baldachin mit einem Essensbuffet in Form von Kollekte Spenden für den Wiederaufbau der Region Rojava. Die Polizei kesselte die friedliche Solidaritätsdemo für die kurdische Bevölkerung ein. Die ungefähr 30 Anwesenden wurden von 50 Polizist_innen umstellt. Dieser Polizeieinsatz war völlig unverhältnismässig.

Die aufgelisteten unterschiedlichen Beispiele haben eines gemeinsam: Die Polizei nahm eine katastrophale Lageeinschätzung vor, was zu unverhältnismässigen Einsätzen und massiven Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen führte. Im Falle der Hausdurchsuchungen muss die Rechtmässigkeit des Vorgehens massiv in Frage gestellt werden.

Leider existiert keine Kontrollinstanz im Kanton Bern, die hätte aktiv werden können und die Vorfälle wirksam untersuchen könnte. Die Vorwürfe der Unverhältnismässigkeit bleiben im luftleeren Raum stehen, die Polizei sagt, alles richtig gemacht zu haben und niemand übernimmt die politische Verantwortung für die Einsätze.

Die Interpellantinnen möchten einmal mehr betonen, dass der Gemeinderat die politische Verantwortung über Polizeieinsätze in der Stadt Bern trägt. Er sollte gemäss Polizeigesetz Artikel 12f bei „sensiblen Einzelereignisse“ auch in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden. Der Gemeinderat hat bis heute aber keine Stellung zu den erwähnten Vorwürfen genommen (abgesehen von einer angekündigten Verschärfung der Bewilligungspraxis).

Die Interpellantinnen bitten den Gemeinderat deshalb um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wurde der Gemeinderat im Vorfeld über die erwähnten Einsätze informiert und hat Entscheidungen dazu getroffen? Wenn nein: Findet es der Gemeinderat wünschenswert, in Zukunft über Grosseinsätze informiert zu werden und Einfluss darauf zu nehmen? Welche Schritte unternimmt der Gemeinderat dafür?
  2. Was ist die Sicht des Gemeinderates auf die erwähnten Ereignisse? Wird der Gemeinderat der Kantonspolizei seine Beurteilung der erwähnten Einsätze rückmelden und Konsequenzen aus den Erfahrungen einfordern?
  3. Aufgrund welcher Informationen nimmt die Polizei Lageeinschätzungen vor und wird der Gemeinderat detailliert darüber informiert, damit er sich auch selber eine Meinung bilden kann?
  4. Wird der Gemeinderat die Verantwortlichen für die in der WOZ dargestellten Hausdurchsuchungen zur Rechenschaft ziehen und Konsequenzen fordern?
  5. Welche alternativen, deeskalierenden Strategien stehen der Polizei zur Verhinderung von Eskalationen aus Sicht des Gemeinderats zur Verfügung? Wird er deren Umsetzung einfordern?
  6. Sieht der Gemeinderat Möglichkeiten, wie mit  konfliktgeladenen Situationen in Zukunft umgegangen werden kann, ohne die Bewilligungspraxis zu verschärfen?

Bern, 17.09.15