Interpellation GB/JA! Fraktion (Stéphanie Penher, GB)

Die Verkehrsinfrastrukturen der Strasse und des öffentlichen Verkehrs gelangen in Spitzenzeiten insbesondere im Morgen- und Abendverkehr an ihre Kapazitätsgrenzen. Mit Mobility-Pricing will der Bund die Überlastung der Verkehrsinfrastruktur in den Stosszeiten mildern. Dafür sollen Pilot-Projekte gestartet werden unter anderem auch im Grossraum Bern, der im Rahmen der Anhörung dafür Interesse gezeigt hat.

Wir unterstützen grundsätzlich das Prinzip «pay as you use», das für die Definition von Mobility Pricing sicher am relevantesten ist. Um den gesamten Mobilitätskonsum zu steuern, ist das Verursacherprinzip zentral. Aber die Idee, man könne die Überlastungsprobleme in den Hauptverkehrszeiten dauerhaft mit der Einführung einer zeitbezogenen Abgabeerhebung lösen, ist aus Sicht des Grünen Bündnis nicht realistisch. Es stimmt, dass die Arbeitszeiten zunehmend flexibel sind und die Telearbeit zunimmt. Aber es wird immer noch Einschränkungen geben (insbesondere familienbedingte), die eine Verschiebung des Arbeits- oder Ausbildungsbeginns um zwei Stunden nicht erlauben. Und genau diese nicht verschiebbare Mobilität ist in erster Linie für die Überlastung in den Hauptverkehrszeiten verantwortlich. Um dieses Grundproblem zu lösen, müsste die Bepreisung in den Spitzenzeiten derart hoch ausfallen, dass sie für finanziell weniger gut gestellte Nutzer unerschwinglich wird. Die daraus resultierende soziale Ausgrenzung ist aber für das Grüne Bündnis inakzeptabel.

Es gibt unserer Ansicht andere Ziele, insbesondere im Umweltbereich, die wichtiger sind als «die Lösung der Probleme, die durch die Verkehrsüberlastung in den Hauptverkehrszeiten entstehen» und für die eine Bepreisung in den Spitzenzeiten nur schwerlich die Lösung sein kann. Im Bereich der Umweltziele sehen wir in erster Linie eine Bepreisung basierend auf den durch die Fahrzeuge verursachten negativen Auswirkungen. Mit diesem Instrument wäre der motorisierte Individualverkehr teurer als der öffentliche Verkehr und der Langsamverkehr, was die Verlagerung des Verkehrs fördern und die Schadstoffemissionen verringern würde. Eine noch grössere Modalverschiebung liesse sich also nur erreichen, wenn die Mobilitätsbepreisung für die Strasse deutlich höher ausfallen würde als für den öffentlichen Verkehr.

Im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel gibt es bereits heute eine fahrleistungsbezogene Abgabeerhebung (z.B. Zugbillette) und eine zonenbezogene Abgabeerhebung (Tarifverbünde). Diese Abgabesysteme lassen sich jederzeit anpassen, wobei darauf zu achten ist, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel attraktiver gestaltet wird als der motorisierte Individualverkehr, was sich mit der Internalisierung der externen Kosten automatisch erreichen lässt. Die Entwicklung des Kilometerpreises für Autofahrer und für die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel über die letzten zehn Jahre muss möglichst rasch gestoppt werden, denn das Autofahren wird immer günstiger, während sich die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zunehmend verteuert.

Mobility Pricing ist ein Mittel, um die Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr und vom öffentlichen Verkehr auf den Fuss- und Veloverkehr zu fördern, ohne mit dieser Verschiebung eine neue Mobilität zu schaffen. Wir sind aber der Meinung, dass die Frage des Fuss- und Veloverkehrs im Bericht zu wenig beachtet und analysiert worden ist. Immerhin ist der Fuss- und Veloverkehr die ökologischste Form der Mobilität und erfüllt die Klimaziele des Bundes am besten. Folglich ist es absolut richtig, dass er in allen vorgestellten Konzepten von jeglichen Abgaben ausgenommen wird und daran sollte sich im weiteren Verfahren auch nichts ändern.

Da der Grossraum Bern als Standort für ein Pilotprojekt in Frage kommt, bitten wir den Gemeinderat folgende Fragen zu beantworten:

1.     Autofahren wird immer günstiger, während sich die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zunehmend verteuert. Ist der Gemeinderat in Anbetracht dessen nicht auch der Meinung, dass nur ein Road-Pricing-Modell in Frage kommen darf?

2.     Wie will sich der Gemeinderat für eine rasche rechtliche Grundlage beim Bund einsetzen, um die Verkehrsprobleme im Grossraum Bern mit Road-Pricing-Modellen selber lösen zu können?

3.     Welche Massnahmen setzt und will der Gemeinderat in Zukunft umsetzen, um die Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr und vom öffentlichen Verkehr auf den Fuss- und Veloverkehr zu fördern?

4.     Welche Modellvariante für Strassenverkehr würde der Gemeinderat aus der Idee des Mobility-Pricings bevorzugen und aus welchen Gründen?

5.     Welche Modellvariante für Schiene / öffentlicher Verkehr würde der Gemeinderat aus der Idee des Mobility-Pricings bevorzugen und aus welchen Gründen?

 

Bern, 30. Juni 2016