Interfraktionelle Motion FDP/JF, GB/JA!, GLP/JGLP, GFL/EVP (Thomas Berger, JF/Regula Tschanz, GB/Maurice Lindgren, JGLP/Manuel C. Widmer, GFL):

Die Berner Münsterplattform wird nachts abgeschlossen. Im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März wird die Anlage abends zwischen 22:30 Uhr und 23:00 Uhr geschlossen und morgens zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr wieder geöffnet. Im Zeitraum vom 1. April bis 30. September wird die Anlage abends zwischen 0:30 Uhr und 1:00 Uhr geschlossen und morgens zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr wieder geöffnet. Die Schliessung der Plattform war in den 1970er-Jahren zum ersten Mal ein Thema. Am 22.6.1976 hat der Gemeinderat beschlossen, die Plattform während der Nacht abzuschliessen. Zwischen 1976 und 1983 wurde die Schliessung einmal widerrufen. Die aktuelle Schliessung der Plattform ist vermutlich auf den Gemeinderatsbeschluss vom 1. September 1983 zurückzuführen. Damals beschloss der Gemeinderat, die Plattform abends um 21:00 Uhr abzuschliessen. Gründe waren der damalige Drogenkonsum und -handel sowie der Umstand, dass die Plattform als Hundetoilette zweckentfremdet wurde. Nach über 30 Jahren der nächtlichen Schliessung ist es an der Zeit, im Rahmen eines Pilotversuchs zu prüfen, ob die Münsterplattform die ganze Nacht geöffnet bleiben kann. Einen Freiraum der Allgemeinheit zu entziehen, weil sich Einzelne nicht an die Regeln halten, ist nicht sinnvoll. Zudem zeigt sich offenkundig, dass sich die gesellschaftlichen Herausforderungen mit der Schliessung der Münsterplattform lediglich verschoben haben, nicht aber gelöst wurden. Im Rahmen eines Pilotversuchs sollen die Stadtbernerinnen und Stadtberner die Chance erhalten zu beweisen, dass sie eigenverantwortlich und rücksichtsvoll mit Freiräumen umgehen können.
Der Gemeinderat wird beauftragt:

1. Die Münsterplattform im Rahmen eines auf mindestens drei Monate befristeten Pilotversuchs
rund um die Uhr offen zu lassen.
2. Den Pilotversuch unter Einbezug aller involvierten Organisationen (Leist, Bevölkerung, Jugendamt,
Pinto, weitere) auszuwerten.
3. Einen Evaluationsbericht zu erarbeiten.

Bern, 23. März 2017

Erstunterzeichnende: Thomas Berger, Regula Tschanz, Maurice Lindgren, Manuel C. Widmer
Mitunterzeichnende: Sandra Ryser, Claude Grosjean, Melanie Mettler, Marianne Schild, Patrick Zillig, Bettina Jans-Troxler, Barbara Freiburghaus, Vivianne Esseiva, Matthias Stürmer, Brigitte Hilty Haller, Patrik Wyss, Janine Wicki, Marcel Wüthrich, Bernhard Eicher, Philip Kohli, Lionel Gaudy, Regula Bühlmann, Eva Krattiger, Seraina Patzen, Ursina Anderegg, Franziska Grossenbacher, Lea Bill, Stéphanie Penher, Leena Schmitter

Antwort des Gemeinderats
Die vorliegende Motion ersucht den Gemeinderat, die Münsterplattform im Rahmen eines befristeten Pilotversuchs rund um die Uhr offen zu lassen, diesen Pilotversuch unter Einbezug aller involvierten Organisationen auszuwerten und einen Evaluationsbericht zu erstellen. Inhaltlich betrifft die Motion daher einen Bereich, der in der Zuständigkeit des Gemeinderats liegt. Der Motion kommt deshalb der Charakter einer Richtlinie zu. Sollte die Motion erheblich erklärt werden, ist sie für den
Gemeinderat nicht bindend. Er hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich
des Grads der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei
der Erfüllung des Auftrags. Zudem bleibt die Entscheidverantwortung beim Gemeinderat.
Dem Gemeinderat ist die möglichst uneingeschränkte Zugänglichkeit des öffentlichen Raums sehr
wichtig. Bereits im Herbst 2013 wurde das Konzept Nachtleben Bern vom Gemeinderat verabschiedet.
Darin wird mit Massnahme 5 „Offene Parks“ angestrebt, die öffentlichen Park- und Grünanlagen,
welche auch in den Abend- und Nachtstunden beliebte Treffpunkte sind, trotz Littering
und Vandalismus weiterhin 24 Stunden offen zu halten. Zudem wurde festgehalten, dass die Münsterplattform
eine Ausnahme darstellt und während der Nacht abgeschlossen wird. Ziel der Massnahme
5 ist es, insbesondere Jugendlichen den Aufenthalt an Orten, bei denen kein Konsumzwang
besteht, zu ermöglichen und gleichzeitig negative Auswirkungen durch eine gezielte Kontrolle
zu minimieren.
Der Gemeinderat steht einem Pilotversuch zur nächtlichen Öffnung der Münsterplattform grundsätzlich
positiv gegenüber. Die davon betroffenen Organisationen wurden bereits über die vorliegende
Motion informiert. Ausserdem hatten sie Gelegenheit, eine erste Stellungnahme abzugeben.
Folgende Organisationen haben sich zur beabsichtigten Öffnung bzw. zu einem allfälligen Pilotversuch
wie folgt geäussert:
Vereinigte Altstadtleiste VAL (deren Stellungnahme umfasst auch diejenige der Kesslergass-
Gesellschaft, des Matteleists sowie des Betreibers des Kaffee Einstein au Jardin): Die VAL und die
betroffenen Leiste sprechen sich klar gegen eine nächtliche Öffnung aus. Ihrer Ansicht nach entstehen
durch eine nächtliche Nutzung zu viele Nachteile, welche in keinem Verhältnis zum Nutzen
stehen. Die heutige Situation ist für den Grossteil der Nutzenden ideal. Diese positive Entwicklung
sollte weiter verstärkt werden. Eine Öffnung wird als problematisches Experiment in einem sensiblen
Umfeld beurteilt.
Münsterbauleitung und Kirchgemeinde Münster: Eine Öffnung der Münsterplattform nach Mitternacht
wird klar abgelehnt. In den letzten Jahren wurde eine positive Nutzungsentwicklung festgestellt.
Eine nächtliche Öffnung kann sehr rasch wieder Zustände herbeiführen, die vor einigen Jahren
zur Schliessung der Plattform geführt haben. Einer Pilotphase wird nur dann zugestimmt, wenn
die Öffnung durch mindestens eine permanent anwesende Doppelpatrouille (öffentliche oder private
Sicherheitsorganisation) überwacht wird. Dabei gilt es aber, die Kosten-Nutzen-Frage abzuwägen.
Kanton Bern, Amt für Grundstücke und Gebäude AGG: Das AGG hat gegen eine Öffnung grundsätzlich
nichts einzuwenden – unter der Voraussetzung, dass für die Liegenschaften und Nutzer
der kantonalen Gebäude sowie für die Mieter des Stiftsgartens daraus keine Nachteile und keine
Beeinträchtigungen entstehen.
Der Gemeinderat kann die bestehenden Bedenken nachvollziehen, ist jedoch der Meinung, dass
sich diese erst nach der Durchführung eines Pilotversuchs erhärten oder widerlegen lassen. Aus
diesem Grund erklärt er sich bereit, einen Pilotversuch, welcher im Anschluss mit allen beteiligten
Organisationen und Institutionen ausgewertet wird, durchzuführen. Während des Pilotversuchs
wird die Präsenz von PINTO erhöht und geprüft, ob die WC-Anlage auf der Münsterplattform rund
um die Uhr geöffnet bleibt.
Folgen für das Personal und die Finanzen
Art und Umfang allfällig anfallender Mehraufwände betreffend das Personal und die Finanzen lassen
sich nicht beziffern. Diese hängen von Art und Umfang allfälliger Mehraufwände für Reinigung,
für das Entfernen der Folgen von Vandalismus sowie für eine Intensivierung der Bewachungsaufträge
ab. Eine Intensivierung der Berondung durch einen Sicherheitsdienst ist während der Dauer
des Pilotversuchs nicht vorgesehen. Allfällige Mehraufwände für die Reinigung sowie die Erhöhung
der Präsenz durch PINTO können während des Pilotversuchs über die bestehenden Ressourcen
und im Rahmen der jeweiligen Schwerpunktsetzung aufgefangen werden. Rückschlüsse lassen
sich erst nach erfolgtem Pilotversuch machen und werden Bestandteil des Evaluationsberichts sein.
Antrag

Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion als Richtlinie erheblich zu erklären.

Bern, 13. September 2017

Der Gemeinderat