Katharina Gallizzi, GB; Jelena Filipovic, GB; Laura Binz, SP; Michael Ruefer, GLP; Tanja Miljanović, GFL

Auf manchen Kreuzungen Barcelonas, auf denen früher Tausende von Autos täglich durchfuhren, kann man nun flanieren, spielen oder einfach im Schatten verweilen. Denn Barcelona gestaltet mit sogenannten «Superblocks» die Stadt neu. In einem Superblock wird der Autoverkehr so angeordnet, dass der Durchgangsverkehr aussen herum fliesst. Ein Konzept, das Bern mit den Wabenlösungen in Ansätzen bereits kennt. Anschliessend wird der freigewordene Strassenraum so umgewidmet, dass Fuss- und Veloverkehr Vorrang haben und gleichzeitig genug Platz bleibt für die unterschiedlichsten Nutzungen des neu geschaffenen Freiraums[1]. Zusätzlich können die nicht mehr benötigten Verkehrsflächen entsiegelt, begrünt und verschattet werden.

Da die Finanzmittel knapp und der Handlungsbedarf gross sind, setzt Barcelona für die Umsetzung der Superblocks auf sogenannt «taktischen Urbanismus»: Statt in einem jahrelangen Planungsprozess und mit teuren «definitiven» Massnahmen geschieht die Umsetzung mit relativ kostengünstigen, provisorischen und verschiebbaren Massnahmen (Bodenmarkierungen, Bäume in Behältern, Pflanzbeete, Sonnensegel, Nebelduschen, Spiel- und Möblierungselemente etc.) – ohne teure Strassenbau- und Werkleitungs-Eingriffe. Ein Planungsansatz, der auch in der Stadt Bern bei der Aufwertung des öffentlichen Raums bereits angewendet wird. 

Von Anfang an soll eine Kernzone ganz ohne MIV umgesetzt werden, befreit sowohl von fahrendem Verkehr als auch von Parkplätzen. Wie die Gestaltungsmassnahmen kann auch dieser Abbau schrittweise, modular, lernend für alle Beteiligten vonstattengehen. Spannend ist, dass bei solchen Projekten ein Autoverkehrs-Verdunstungseffekt[2] beobachtet werden kann. Verkehrsexpert:innen beobachten seit längerem, dass bei einer Verkehrseinschränkung, z. B. bei einer Baustelle in einem Tunnel, ein Teil des Verkehrs schlicht verschwindet, anstatt auf alternative Strecken auszuweichen. Dies wurde auch in Barcelona beobachtet[3].

Obwohl die meisten Schweizer Städte keine rasterartige Struktur wie Barcelona aufweisen, wäre das Modell der Superblocks auch hier umsetzbar. Zu diesem Schluss kommt eine vom Nationalfonds finanzierte Studie der EMPA aus dem Jahr 2022[4]. So gibt es denn auch bereits in verschiedenen Städten Initiativen zur Umsetzung des Konzepts in der Schweiz. In Basel fordern Quartierbewohnende von der Regierung die Schaffung von Superblocks im Wettstein und im St. Johann-Quartier[5]. Im Zürcher Gemeinderat wurde im Juni 2022 ein Postulat überwiesen, das die Realisierung von Quartierblöcken, wie die Superblocks hier genannt werden, als Pilotprojekt fordert[6].

Auch in Bern könnte die Umsetzung von Superblocks zur Verbesserung der Lebensqualität und des Stadtklimas, zur Förderung der nachhaltigen, aktiven Mobilität und zur Erreichung der Klimaziele im Klimareglement beitragen. Erste Forschungsergebnisse der ZHAW zeigen, dass ca. 10% – 18% der Strassennetzes potenziell für Super-oder Miniblocks geeignet wäre. Demnach ist es sinnvoll, Superblocks zu testen und allenfalls langfristig zu realisieren.

Der Gemeinderat wird daher gebeten:

  1. alle geeigneten Quartiere in Bern für die Errichtung von Superblocks zu ermitteln und diese dem Stadtrat vorzulegen 
  2. Kurzfristig: Mindestens zwei Pilot-Superblocks (mit Auto- und Parkplatz-befreiten Kernzonen) in zwei verschiedenen Quartieren, die durch befristete Massnahmen rasch kostengünstig realisiert werden können, umzusetzen.
  3. Kurzfristig: Aufzuzeigen, wie die betroffene Quartierbevölkerung bei der Gestaltung der Pilot-Superblocks eingebunden werden kann. 
  4. Mittelfristig: Aufzuzeigen, wie organisatorisch und planerisch vorzugehen ist, damit das Konzept der «Superblocks» langfristig in möglichst vielen Quartieren der Stadt Bern zwecks Klimaschutz und -anpassung umgesetzt wird.
  5. Mittelfristig: darzulegen, wie organisatorisch und planerisch vorzugehen ist, damit die einzelnen «Superblocks»  zu einem grünen Netz wachsen können.
  6. Superblocks als Vision über ein einfaches Verkehrskonzept hinaus zu denken (Hitze, Biodiversität, Wassermanagement, urbane Dichte und lokale Wirtschaft) und die Implementierung der Superblocks ämterübergreifend zu planen.

[1] https://mobility-talk.com/superblocks-barcelona-berlin-vergleich/ 

[2] Neue Studie über Verkehrsverdunstung – Mobilservice

[3] Verkehrswende in Barcelona – «Der bisherige Verkehr verpufft, als habe er sich in Luft aufgelöst» | Tages-Anzeiger (tagesanzeiger.ch)

[4] https://www.nature.com/articles/s41893-022-00855-2#Sec6

[5] https://www.woz.ch/2307/stadtentwicklung/quartiere-fast-wie-in-barcelona/!EQTBM1MFFX3S

[6] https://www.gemeinderat-zuerich.ch/geschaefte/detailansicht-geschaeft?gId=ccff7205-31d9-44c5-a936-7fa8e8256444