Interfraktionelle Motion: Expertise von Menschen mit Behinderungen abholen
Interfraktionelle Motion GB/JA!, GLP/JGLP/EVP (Sarah Rubin, GB/Ursina Anderegg, GB/Anna Jegher, JA!/Bettina Jans-Troxler, EVP) und Sofia Fisch (JUSO)
Bis zu einem Viertel der Bevölkerung ist im Laufe ihres Lebens von Behinderungen betroffen. Menschen mit Behinderungen sind täglich mit Hindernissen konfrontiert und erleben in vielen Lebensbereichen Ungleichbehandlung und Verletzung ihrer Grundrechte. Die UNO stellt denn auch der Schweiz bezüglich Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen kein gutes Zeugnis aus: Unsere Gesellschaft könne auf verschiedenen Ebenen noch nicht als inklusiv bezeichnet werden (vgl. CRPD Abschliessende Bemerkungen zum lnitialstaatenbericht der Schweiz (Übersetzung der offiziellen englischen Version auf Deutsch – im Auftrag des EBGB) (PDF, 289 kB, 30.01.2023). Die Stadt Bern ist eine partizipative Stadt – verschiedene Bevölkerungsgruppen können Prozesse und Projekte auf diversen Wegen mitgestalten. Bewohner*innen der Stadt Bern können sich in auf bestimmte Anspruchsgruppen zugeschnittenen Gremien engagieren oder sich dort durch Delegierte
vertreten lassen, um so für ihre Interessen und Anliegen einzustehen: Es gibt z.B. Elternräte, Quartierkommissionen, das Kinder- sowie das Jugendparlament, den Senior*innenrat und die Fachkommission für Migration und Rassismusfragen. Menschen mit Behinderungen jedoch haben bis jetzt keine Möglichkeit, im Rahmen einer behördlich angebundenen städtischen Austauschgruppe, beispielsweise einer Expert*innen- und Betroffenenkommission, mit der Stadt Bern über ihre Interessen und Anliegen im Gespräch zu sein. Gerade für Menschen, die mit Behinderungen leben, welche auf den ersten Blick nicht sichtbar sind – wie zum Beispiel psychische Behinderungen oder Neurodivergenz – bestehen nach wie vor viele Barrieren im Alltag, aber auch in Bezug auf öffentliches Einbringen ihrer Anliegen und Interessen. Dies widerspricht dem Prinzip einer sozialen und demokratischen Stadt. Der Gemeinderat schreibt in der Arbeitshilfe zu partizipativen Prozessen für die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung (Mitreden und Mitgestalten, 2016): „Dank partizipativen Verfahren kann ein wertvoller Dialog zwischen Bevölkerung, Politik und Verwaltung entstehen, denn das lokale Wissen der Betroffenen kann im besten Fall mit dem Fachwissen der Verwaltung und dem strategischen Wissen der Politik zusammengeführt werden. Beteiligung schafft zudem Identifikation: mit der Stadt, mit dem Quartier oder mit dem unmittelbaren Wohnumfeld. Die Beteiligung der Betroffenen stärkt die Demokratie. Entsprechend unterstützt und fördert der Gemeinderat das Interesse und die Bereitschaft zu partizipieren durch vielfältige Partizipationsangebote“ (S. 5). Aus diesem Grund fordern wir den Gemeinderat dazu auf, in Zusammenarbeit mit Vertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen (z.B. Behindertenkonferenz Region und Stadt Bern, procap, insieme) und der Fachstelle für Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen eine Fachkommission zu schaffen, die aus Menschen mit Behinderungen zusammengesetzt ist. Dabei soll sichergestellt werden, dass der Einsitz in einer solchen Gruppe barrierefrei erfolgt und notwendige Unterstützungsmassnahmen gewährt werden (z.B. personelle Begleitung, unterstützte Kommunikation, Gebärdesprachedolmetscher*in usw.). So könnten sich auch Menschen mit Behinderungen gewinnbringend für ihre Anliegen in der Stadt Bern einsetzen.
Bern, 16. Mai 2024
Erstunterzeichnende: Sarah Rubin, Ursina Anderegg, Anna Jegher, Bettina Jans-Troxler, Sofia Fisch
Mitunterzeichnende: Yasmin Amana Abdullahi, Denise Mäder, Natalie Bertsch, Gabriela Blatter, Mahir Sancar, Nora Joos, Paula Zysset, Jelena Filipovic, Mirjam Arn, Anna Leissing, Franziska Geiser, Esther Meier, Katharina Gallizzi, Lea Bill, Judith Schenk