Interfraktionelle Interpellation der Fraktionen GFL, GB/JA!, AL/PdA (Marcel Wüthrich, GFL/Mirjam Roder, GFL/Ursina Anderegg, GB/Nora Joos, JA!/Paula Zysset, JUSO/David Böhner, AL)

Zur Sicherung der künftigen Energieversorgung auf der Basis von erneuerbarer Energie ist der Ausbau der Solarenergie dringend notwendig. Im Kanton Bern müssen zu diesem Zweck rund 5’000 MWp [1] hinzugebaut werden. Das Potenzial dazu findet sich primär in dezentralen Kleinanlagen auf den Dächern und Fassaden der Gebäude, insbesondere der privaten Hauseigentümer. Diese Investoren benötigen vor allem eines: Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit. Im Hinblick auf die projektierte, scheinbar grosse, vor dem Hintergrund des tatsächlichen Bedarfs aber doch eher bescheidene Photovoltaik-Freiflächenanlage «Belpmoos Solar» [2] mit einer Leistung von rund 37 MWp stellen sich allerdings einige gewichtige energietechnische Fragen. Die zur Stromproduktion optimalen Bedingungen werden primär im Sommer sowie zur Mittagszeit herrschen – also just zu Zeiten, wo alles andere als eine Strommangellage besteht. Beide Anlagentypen – sowohl die dezentralen als auch einzelne grosse im Mittelland – produzieren zur gleichen Zeit ihre Höchstleistung. Um eine lokale Netzüberlastung zu vermeiden, wird zu Spitzenzeiten die Stromeinspeisung limitiert werden müssen. Eine grosse Einzelanlage sollte, daher idealerweise ein anderes Produktionsprofil haben, wie das bei alpinen Photovoltaik-Anlagen etwa für die Produktion von Winterstrom der Fall ist. Unter dem Strich resultiert die Gefahr, dass die Stromproduktion von «Belpmoos Solar» die privaten und die gewerblichen Photovoltaik-Anlagen im Grossraum Belp konkurrenziert und der Ausbau auf den bestehenden Dächern abgewürgt wird. Ausserdem steht vor dem Hintergrund diverser gescheiterter Geschäftsmodelle als Motivation für den Flughafen Bern-Belpmoos der Verdacht im Raum, dass mit dem Solarpark primär eine konstante und ergiebige Einnahmenquelle geschaffen werden soll, welche dann den Privat-Flugbetrieb quersubventionieren und somit dessen Zukunft sichern soll. [3] Der Vorwurf von möglichem Greenwashing liegt nicht nur in Anbetracht des zu erwartenden Verlusts an Biodiversität, sondern auch in Anbetracht der schädlichen Klimawirkung des Flugverkehrs auf der Hand.

Fragen

Wir bitten den Gemeinderat vor diesem Hintergrund, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie dient der projektierte Solarpark der Förderung der Energiewende mit erneuerbarer Energie? Welche energiepolitische Lücke kann das Projekt beheben – und welche nicht?
  2. Welche zusätzliche Netzinfrastruktur erfordert der Solarpark im Belpmoos?
  3. Wie kann ausgeschlossen werden, etwa mittels geeigneter Speichermöglichkeiten, mittels intelligenter Regelalgorithmen oder mittels Abschaltens von Grosskraftwerken mit nicht-erneuerbaren Energieträgern, dass der Solarpark im Verbund mit den dezentralen Kleinproduzenten mit seinem erzeugten Spitzenstrom auf dem Strommarkt zur Entfaltung einer unerwünschten Wirkung (z.B. negative Preise auf dem Spotmarkt) beiträgt?
  4. Wie kann ausgeschlossen werden, dass die Rückspeisevergütungen und die Rückspeisemengen der Strom-Eigenproduktion von Kleinproduzenten (sowohl von Privatpersonen wie auch von lokalen Gewerbebetrieben) infolge eines zusätzlich auftretenden lokalen Grossproduzenten als Konkurrenz für Prosumer im Grossraum Belp gefährdet bzw. diese Prosumer durch den Solarpark in ihren Bestrebungen gehemmt oder gar verdrängt werden?
  5. Welche bereits bestehenden Verträge oder Absichten gibt es hinsichtlich Strompreisgarantien oder Stromabnahmegarantien für den geplanten Solarpark?
  6. Von welchen Subventionen, Vergünstigungen und weiteren rechtlichen Bevorzugungen werden der geplante Solarpark sowie deren drei Eigentümer Flughafen Bern AG, BKW und ewb profitieren können?
  7. Welche Rollenteilung zwischen BKW und ewb ist bei «Belpmoos Solar» vorgesehen?
  8. Wie könnte die Förderung von bidirektionalen Lade- und Einspeise-Möglichkeiten via die Batterien von E-Mobilen als lokale Batterien im Stromnetz von Nutzen sein?
  9. Wie kann der Gemeinderat versichern, dass es sich bei diesem Projekt nicht um ein finanzielles Sanierungsprojekt für die Flughafen Bern AG und nicht um Greenwashing handelt?

Bern, 13. Juni 2024
Erstunterzeichnende: Marcel Wüthrich, Mirjam Roder, Ursina Anderegg, Nora Joos, Paula Zysset, David Böhner
Mitunterzeichnende: Michael Burkard, Tanja Miljanovic, Matthias Humbel, Michael Ruefer, Mirjam Arn, Anna Leissing, Katharina Gallizzi, Lea Bill, Franziska Geiser, Seraphine Iseli, Jelena Filipovic, Sarah Rubin, Mahir Sancar, Anna Jegher, Muriel Graf, Matteo Micieli

[1] Die Leistung von Photovoltaik-Anlagen in MWp (Megawatt Peak) gibt an, wie viel Energie sie unter optimalen Bedingungen pro Stunde erzeugen kann.

[2] https://www.belpmoossolar.ch/de

[3] „Damit die Prominenz weiter auf dem Belpmoos abheben kann“, Republik (28. November 2023)