Interfraktionelle Interpellation: Hintergründe zum Polizeieinsatz auf dem Vorplatz im Nachgang des feministischen Streiks (GB/JA! und AL/PdA/TiF)
Lea Bill (GB)
Fragen
Dem Gemeinderat wird um Beantwortung folgender Fragen gebeten:
- Augenzeug*innen berichten, dass die Polizei vor dem offensichtlichen Einsatz bereits eine Weile mit gut einem Dutzend Polizisten in Zivil vor Ort war. Zudem war die Verstärkung binnen weniger Minuten auf dem Platz. Wie geht dies auf mit der Argumentation, dass der Einsatz aufgrund eines flüchtenden Gefängnisinsassen erst zustande kam, also ein spontaner Einsatz einer Patrouille war?
- Wieso führte die Polizei den Einsatz in Zivil durch? Wie steht der Gemeinderat dazu, dass für die Anwesenden nicht erkennbar war, dass es sich um Polizist*innen handelt, sie also davon ausgehen mussten, dass es sich um einen Angriff einer gewaltbereiten Gruppe handelte? Welche Kriterien gelten für solche Zivil-Einsätze?
- Ist es zutreffend, dass die Polizei das Kontakttelefon nicht verwendete, um den Einsatz anzukündigen oder auch während des Einsatzes den Kontakt mit den Betreiber*innen der Reitschule aufzunehmen? Was ist der Grund dafür? Wieso hat Marieke Kruit im Bund-Interview vom 18.06. dieses Versäumnis nicht klar verurteilt?
- Wieso hat die Polizei nicht die Zusammenarbeit mit dem anwesenden Sicherheitspersonal der Reitschule gesucht, wie das bei ähnlichen Einsätzen üblich ist?
- Auf Videoaufnahmen, die auch von SRF gesendet wurden, ist deutlich zu sehen, dass der erforderliche Mindestabstand von 20 Metern bei Abgabe von Gummischrotschüssen nicht eingehalten wurde. Mindestens zwei unbeteiligte Personen mussten wegen Kopfverletzungen verarztet werden. Mit diesem Vorgehen nimmt die Polizei schwere bleibende Augenverletzungen in Kauf. Hat der Gemeinderat eine Untersuchung dieser gefährlichen Schussabgaben verlangt?
- Wie gravierend sind die Verletzungen der beiden Polizisten? Wurden sie ins Spital eingeliefert? Wie lange waren sie krankgeschrieben?
- Erachtet der Gemeinderat den Polizeieinsatz als verhältnismässig?
- Wie gestaltet sich das Debriefing und der Austausch mit der Polizei und der Reitschule, wie von Stadtpräsidentin Marieke Kruit angekündigt wurde?
Begründung
Im Anschluss an den feministischen Streik am 14. Juni 2025 fand auf dem Vorplatz der Reitschule eine Party statt, an der zahlreiche Personen teilnahmen. Um ca. 1 Uhr, es waren noch 1000 Feiernde auf dem Platz, fielen gut ein Dutzend ruppig auftretende
Männer in der Menge auf, die sich im Nachhinein als Zivilpolizisten herausstellten. In der Situation selber haben sie sich offenbar nicht zu erkennen geben. Daraufhin eskalierte die Situation, die Polizei holte Verstärkung und setzte Pfefferspray
und Gummigeschosse ein. Zudem kam es zu Flaschenwürfe von Personen auf dem Vorplatz. Mindestens vier Personen wurden dabei leicht verletzt, darunter zwei Polizist*innen und zwei Gäste. Im Nachgang kommunizierte die Polizei, beim Einsatz hätte es sich um die Verfolgung eines flüchtigen Gefängnisinsassen gehandelt. Die Mediengruppe der Reitschule hielt fest, dass die Polizei sie nicht wie üblich über das Kontakttelefon kontaktiert habe und auch keine Zusammenarbeit mit dem Sicherheitspersonal vor Ort stattgefunden habe. Die Stadtpräsidentin Marieke Kruit stellte einige Tage nach dem Polizeieinsatz klärende Gespräche in Aussicht. Es scheint sinnvoll, die Umstände des Polizeieinsatzes auch auf politischer Ebene zu klären.
Bern, 26. Juni 2025