Postulat Fraktion GB/JA! (Leena Schmitter, GB)

Vor zehn Jahren (11.9.2005) entführten und ermordeten Paramilitärs den Gewerkschaftsführer Luciano Romero in Valledupar (Kolumbien). Der Menschenrechtsaktivist und ehemalige Arbeiter bei Nestlé/Cicolac stand kurz vor einer öffentlichen Anhörung zu Nestlé in Bern. Romero hatte vor seiner Ermordung zahlreiche Todesdrohungen erhalten, die im Kontext eines langjährigen Arbeitskonflikts zwischen der Gewerkschaft Sinaltrainal und dem Nestlé-Tocherunternehmen Cicolac standen.

Die unmittelbaren Täter wurden in Kolumbien verurteilt. Ein Richter ordnete nach dem Gerichtsurteil an, auch die Rolle Nestlé Kolumbiens bei der Ermordung zu untersuchen – bis heute aber stehen die Ermittlungen gegen Nestlé aus. Vielmehr wurde dieser Richter abgesetzt und musste wegen Morddrohungen das Land verlassen.

Die Gewerkschaft Sinaltrainal hat zusammen mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und einem Schweizer Anwalt den Fall im März 2012 in der Schweiz zur Strafanzeige gebracht. Obwohl Menschenrechtsverletzungen von Konzernen im Ausland in der Schweiz nicht eingeklagt werden könnten, ist Romero/Nestlé der erste Fall, in dem Strafanzeige wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Unternehmen in der Schweiz eingereicht wurde. Dabei ging es darum zu klären, ob dem Nestlé-Management in der Schweiz eine Verantwortung bei dem Verbrechen zukommt, weil dieses es unterlassen hatte, für angemessenen Schutz für den bedrohten Gewerkschafter zu sorgen. Leider wurden auch in der Schweiz keine Ermittlungen aufgenommen: Der Fall wurde eingestellt.

Am 11.9.2015 benannte die Menschenrechtsorganisation MultiWatch die Berner Schützenmatte in „Luciano-Romero-Platz“ um. Sie gedachte dabei nicht nur an den Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten, sondern protestierte mit der Umbenennung der Schützenmatte auch gegen die bis heute bestehende Straflosigkeit der Auftraggebenden des Mordes und mutmasslichen Menschenrechtsverletzungen von in der Schweiz ansässigen Unternehmen.

Platz- und Strassennamen können einen wichtigen Beitrag zu gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen leisten: Gedenktafeln machen Geschichte lebendig, weil sie zeigen, dass Geschichte nicht einfach war, sondern auch zur Gegenwart und Zukunft gehört.

Der Fall Romero/Nestlé ist mehr als ein „Einzelfall“. Als Hauptstadt der Schweiz, wo Nestlé den Firmensitz hat, kann die Stadt Bern anhand dieses Beispiels zeigen, dass sie die globale Verantwortung für Menschenrechte ernst nimmt und dass sie ein Zeichen gegen Menschenrechtsverletzungen setzt, die zwar andernorts begangen werden, deren Ursachen aber häufig nach Europa oder Nordamerika führen: Hier ansässige Unternehmen müssen dazu gebracht werden, Menschenrechte weltweit zu respektieren, Repression und Gewalt gegen Gewerkschaften und von der Firmentätigkeit betroffene Bevölkerungen konsequent zu verhindern.

Die Unterzeichnenden bitten den Gemeinderat deshalb, bei den weiteren Planungsprozessen der Schützenmatte aufzuzeigen, wie die Schützenmatte dauerhaft in Luciano Romero-Platz umbenannt werden kann.

Bern, 15. Oktober 2015