Postulat Fraktion GB/JA! (Sabine Baumgartner, GB)

Der Gemeinderat setzte sich in seinen Legislaturrichtlinien 2013-2016 das Ziel, die berufliche Integration weiter zu verstärken. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene mit Betreuungspflichten – oft junge Mütter – ist es schwierig, eine Lehrstelle zu finden: Es ist ihnen meist unmöglich, 100 Prozent zu arbeiten, ebenso sind die Arbeitszeiten oft nicht kinder- bzw. betreuungsfreundlich ausgestaltet.

Es wäre wünschenswert, dass möglichst alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Lehre absolvieren können. Denn ein Lehrabschluss verbessert die Chancen auf eine Stelle, garantiert einen höheren Lohn und verringert die Gefahr, von der Sozialhilfe abhängig zu werden, bzw. ermöglicht eine raschere Ablösung, wenn bereits Sozialhilfeabhängigkeit vorliegt. So ist die Arbeitslosenquote für Personen ohne Berufsabschluss mehr als doppelt so hoch wie die offizielle ausgewiesene Arbeitslosenquote. Zudem beobachtet der Sozialdienst der Stadt Bern den Trend, dass immer mehr Mütter ohne Ausbildung zwischen 16 und 25 Jahren sozialhilfeberechtigt werden.[1] Es besteht die Gefahr, dass diese jungen Mütter wegen ihrer Betreuungsaufgaben die Anschlussmöglichkeiten an eine berufliche Grundausbildung verpassen und somit ein Leben lang von der Sozialhilfe abhängig bleiben.

Laut der Personalverordnung der Stadt Bern ist Teilzeitarbeit in der Regel für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich und von den Direktorinnen und Direktoren wird eine Förderung der Teilzeitarbeit gefordert. Ebenso bieten mehrere Vollzeitbildungsinstitutionen der beruflichen Grundbildung im Kanton Bern Lernenden besondere Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Schule und Förderung besonderer Begabungen in den Bereichen Sport, Musik und Tanz an.[2] Eine solche Flexibilität soll auch für junge Erwachsene mit Betreuungspflichten, welche eine Berufslehre bei der Stadtverwaltung absolvieren, möglich sein.

Daher fordern wir den Gemeinderat auf, allenfalls in Zusammenarbeit mit dem Kanton, die Schaffung von sog. „Teilzeitlehrstellen“ zu prüfen. Damit sind Lehrstellen mit einem Pensum von 60–80 Prozent gemeint. Eine solche Lehre kann je nach Pensum, Ausgestaltung und Organisation des Berufsschulbesuchs länger dauern, muss aber nicht. Die Arbeitszeiten sind kinder- bzw. betreuungsfreundlich auszugestalten. Damit trägt die Schaffung von Teilzeitlehrstellen – ergänzend zu den bereits bestehenden städtischen Angeboten wie beispielsweise dem „Mütterprojekt“[3] – dazu bei, dass noch mehr Jugendliche und junge Erwachsene eine Erstausbildung machen können.

Selbstverständlich ist zu wünschen, dass auch die Privatwirtschaft vermehrt derartige „Teilzeitlehrstellen“ anbietet. Die Stadt Bern soll in diesem Bereich die Zusammenarbeit und den Austausch mit der lokalen Wirtschaft suchen. Mit einem eigenen Angebot an „Teilzeitlehrstellen“ kann sie mit gutem Beispiel vorangehen und allenfalls vorhandene Bedenken entkräften.

Der Gemeinderat wird aufgefordert zu prüfen, wie die Stadt Bern Teilzeitlehrstellen für Jugendliche und junge Erwachsene mit Betreuungspflichten schaffen kann.

Bern, 05.06.2014

[1] Gemäss Sozialdienst der Stadt Bern haben 7% (187) der sozialhilfebeziehenden Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bereits Betreuungsaufgaben wahrzunehmen (Stand: 25.11.2009). vgl. Gesamtkonzept der Strategien und Massnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Integration in der Stadt Bern 2010-2013

[2] www.erz.be.ch/erz/de/index/berufsbildung/grundbildung/informationen_fuerlernende/Hochbegabtenfoerderung.html

[3] Ein beispielhaftes Angebot lancierte die Stadt Bern im Jahr 2011 im Rahmen der Strategien zur Förderung der beruflichen und sozialen Integration in der Stadt Bern 2010-2013 für junge Mütter, die Sozialhilfe beziehen und keinen Lehrabschluss vorweisen können. Dieses so genannte Mütterprojekt stellt der Zielgruppe eine sehr flexible und niederschwellige Struktur zur Verfügung mit dem Ziel, die jungen Mütter fit zu machen für die berufliche Grundbildung.