Die Fallzahlen von häuslicher Gewalt und Femiziden bewegen sich in der Schweiz seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau (Jahresbericht der Polizeilichen Kriminalstatistik März 2021). Als Unter-zeichnerin der Istanbul Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämp-fung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, in der Schweiz in Kraft seit dem 1. April 2018) verfolgt die Schweiz das Ziel, jegliche Formen von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu bekämpfen und zu verfolgen. Dies hat sich auch die Stadt Bern auf die Fahne geschrieben. Nicht nur in Bern, sondern schweizweit zeigt die Lage erneut Handlungsbedarf auf: Laut der «Bevölkerungsbefragung Gewalt in Paarbeziehungen» (Sotomo, 2021) hat jede dritte Person bereits Gewalt in der Partnerschaft erfahren. Bei den Frauen im Alter von 26 bis 45 Jahren war fast die Hälfte davon betroffen. Über neunzig Prozent der Befragten fordern, dass Steuergelder in die Prävention von häuslicher Gewalt investiert werden. Zudem möchten nahezu alle Befragten, dass Gewaltprävention vermehrt ein Thema an Schulen und Ausbildungsorten ist, und dass Mitarbeitende von Polizei, Justiz und Sozialdiensten eine obligatorische Schulung zu häuslicher Gewalt und dem Umgang mit Opfern erhalten. Neben einem breiten Angebot für Opfer und Täter*innen im Bereich häusliche Gewalt braucht es einen starken Präventionsansatz zur Sensibilisierung von Fachpersonen. Dafür ist eine Befragung zum Bedarf der verschiedenen Zielgruppen sowie die Entwicklung von einem auf die Zielgruppe erarbeiteten Angebot wie Schulung, Beratung und Un-terstützung vor Ort notwendig. Ein ähnlicher Ansatz im Bereich vor Radikalisierung war sehr erfolgreich: Fachpersonen wurden vor Ort geschult, ein Leitfaden mit ihnen zusammen erarbeitet, ihnen ein niederschwelliger Beratungsansatz zur Verfügung gestellt, Unterstützung wie Interventionen (in Schulklassen) und direkte Gespräche mit den Jugendlichen angeboten. Zwei Drittel der Meldungen in diesem Bereich gehen heute von Fachpersonen aus. Dies ist auf die Sicherheit zurückzuführen, dass sie selbst beraten werden oder sogar vor Ort Unterstützung erhalten. Ein solches Projekt zur Stärkung von Fachpersonen im Umgang bei Anzeichen von häuslicher Gewalt hätte auch für andere Städte Modellcharakter.

Der Gemeinderat wird gebeten, zu prüfen:
1. Wie Fachpersonen aus der städtischen Verwaltung im Umgang bei Anzeichen von häuslicher Gewalt gestärkt werden können und wie sie Präventivmassnahmen ergreifen können.
2. Welchen Bedarf verschiedene Zielgruppen von Fachpersonen haben.
3. Inwiefern verpflichtende Weiterbildungen für bereits ausgebildete Fachpersonen möglich wären.
4. Wie viel die adäquate Entwicklung von Angeboten wie Schulungen, Beratungen und Unterstüt-zung vor Ort kostet.
5. Welche weiteren Möglichkeiten es zur Prävention von häuslicher Gewalt gibt.

Begründung der Dringlichkeit:

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und hat gravierende Folgen für die Betroffenen. Die Corona-Pandemie verstärkt diese Tendenzen. Es braucht so rasch wie mög-lich Ansätze, um Vorfälle von häuslicher Gewalt zu verhindern. Die Opferberatungsstellen sind ausgelastet und die Frauenhäuser überfüllt. Je früher diverse Optionen geprüft werden, desto schneller können effektive Massnahmen gegen häusliche Gewalt umgesetzt werden.

Bern, 25. November 2021
Erstunterzeichnende: Valentina Achermann, Jelena Filipovic, Mirjam Roder, Yasmin Amana Abdul-lahi, Jemima Fischer, Florence Schmid, Alexander Feuz, Lionel Gaudy
Mitunterzeichnende: Simone Richner, Nicole Cornu, Simone Machado, Francesca Chukwunyere, Ayse Turgul, Edith Siegenthaler, Alina Irene Murano, Sara Schmid, Diego Bigger, Nicole Bieri, Fuat Köçer, Halua Pinto de Magalhães, Bettina Stüssi, Katharina Altas, Laura Binz, Michael Sutter, Bar-bara Keller, Daniel Rauch, Timur Akçasayar, Seraphine Iseli, Franziska Geiser, Lea Bill, Katharina Gallizzi, Dolores Dana, Anna Leissing, Rahel Ruch, Ursina Anderegg, Sarah Rubin, Eva Krattiger, Anna Jegher, Nora Joos, Regula Bühlmann, Eva Chen, Florence Schmid, Lukas Gutzwiller, Zora Schneider, Claudine Esseiva, Tanja Miljanovic, Marcel Wüthrich, Judith Schenk, Marianne Schild, Salome Mathys, Michael Ruefer, Tom Berger, Gabriela Blatter, Remo Sägesser, Vivianne Esseiva