Dringliche interfraktionelle Interpellation GFL/EVP, GB/JA!, GPB-DA (Matthias Stürmer, EVP / Franziska Grossenbacher GB / Luzius Theiler GPB-DA)

Der Stadtrat hat vergangene Woche mit Erstaunen aus den Medien erfahren, dass die BLS die Planungsarbeiten für den Neubau einer Werkstätte in Riedbach in Angriff nimmt. Aus ökonomischen Gründen sollen die bestehenden dezentralen Werkstätten an einem Standort konzentriert und die Züge ab 2025 in Riedbach gewartet werden. Der Standort überzeuge verkehrstechnisch durch die Nähe zum Bahnhof Bern und der freien Kapazitäten auf der Linie Bern-Neuenburg. Gemäss BLS-Direktor Bernard Guillelmon gibt es zu diesem Standort keine Alternativen.

Das Bauprojekt verschlingt 20 Hektaren Land, was 30 Fussballfeldern entspricht. Heute liegen diese Flächen in der Landwirtschaftszone. Am Mittwoch 17. März informierte die BLS die 20 direkt betroffenen Landeigentümer über die Pläne. Tags darauf wurde die Öffentlichkeit über das Bauvorhaben ins Bild gesetzt. Die Interpellanten haben grosses Verständnis für die Wut und Ängste der betroffenen Landwirte: Durch den Verlust des Kulturlandes sind sie in ihrer Existenz bedroht. Für die Interpellanten ist das Projekt aber auch aus der Perspektive der Raumplanung und des Landschaftsschutzes untragbar: Der Bau der grossen Werkstatthalle auf der grünen Wiese würde das Landschaftsbild einschneidend verändern. Der ländlich geprägte Raum von Riedbach, der ein wichtiges Naherholungsgebiet der Stadt Bern darstellt, würde geopfert.

Die BLS behauptet, sie hätten 21 Alternativen zum Neubau in Riedbach geprüft. In diese Vorprüfung seien Aspekte der Raumplanung sowie des Umwelt- und Landschaftsschutzes eingeflossen. Das Fazit sei jedoch eindeutig: Zum Neubau in Riedbach gebe es keine Alternative. Die BLS stellt sich auf den Standpunkt, dass das Projekt in einem Plangenehmigungsverfahren nach Eisenbahngesetz realisiert werden könne. Dafür braucht es keine Umzonung der Landwirtschaftsflächen und damit auch keine Volksabstimmung. Das Projekt wird einzig durch den Bund bewilligt. Der Kanton und die Standortgemeinde Bern haben keine Entscheidungskompetenz.

Für die Interpellanten ist dieses Vorgehen sehr problematisch. Die Pläne widersprechen völlig dem städtischen Baurecht, dem geltenden wie dem in Erarbeitung begriffenen Stadtentwicklungskonzept, der 1982 gutgeheissenen städtischen Volksinitiative zur Erhaltung des Landwirtschaftsgebietes in Oberbottigen sowie den Zielsetzungen des revidierten eidgenössischen  Raumplanungsgesetzes. Bauernbetriebe in der Nähe dichtbesiedelter Gebiete sind wichtig. Sie ermöglichen eine regionale Nahrungsmittelversorgung ohne grosse Transportwege und zeigen der Stadtbevölkerung, wie Lebensmittel produziert werden.

An der Informationsveranstaltung vom 24. März teilten die BLS-Verantwortlichen den rund 200 anwesenden Anwohnern und weiteren Engagierten mit, dass sie den Bericht zu den 21 geprüften Standorten und die entsprechenden Kriterienbewertungen nicht offenlegen wollen, weil sie die Diskussion mit der jeweiligen Wohnbevölkerung scheuten. An der sog. „Orientierungsversammlung“ haben sich die Anwesenden einmütig gegen die Pläne der Werkstätte in Riedbach ausgesprochen. Die an der Versammlung in Riedbach Anwesenden sowie weite Teile der Bevölkerung sind empört über das überfallartige Vorgehen der BLS mit Androhung eines Enteignungsverfahrens und ganz besonders über die Rücksichtslosigkeit gegenüber der Bewohnerschaft des am meisten betroffenen Weilers Buech. Allerdings sind auch Zweifel an der Informationsbereitschaft der Stadt angebracht. Kein einziges Gemeinderatsmitglied war an der Versammlung anwesend um Fragen der besorgten Bevölkerung von Bern West zu beantworten, obwohl gemäss Aussagen von BLS-Direktor Guillelmon die Gemeinderäte eingeladen worden waren. In den Medien differieren die Aussagen zwischen dem Stadtpräsidenten und dem Finanzdirektor. Während der Stadtpräsident behauptet, die Stadt sei nie in irgend einer Art und Weise kontaktiert worden, fanden gemäss Finanzdirektor 2013 Kontakte zwischen der BLS und dem Stadtplanungsamt statt. Der Stadtplaner bezeichnete dabei den Standort der Werkstätten richtigerweise „ganz grundsätzlich als heikel und riskant“. Zudem schlug Gemeinderat Schmidt in einem Sololauf gegenüber den Medien einen alternativen Standtort weiter östlich gegenüber dem Coop-Verteilzentrum vor.

Von allen Beteiligten wurde bis jetzt unvollständig und untransparent informiert. Die vorliegende Interpellation bezweckt, die nötige Klarheit zu schaffen, wie es zu diesem Projekt gekommen ist und was die Stadt dagegen unternehmen wird. Wir bitten den Gemeinderat, folgende Fragen zu beantworten:

1. Zu welchen Zeitpunkten fanden, genau nach Datum aufgelistet, Kontakte zwischen der BLS oder von der BLS beauftragter Personen mit dem Gemeinderat, einzelnen Direktionen oder Amtsstellen wie z.B., dem Stadtpanungsamt, dem Tiefbauamt oder der Wirtschaftsförderung statt?

2. Wurde der Gemeinderat an den Informationsanlass der BLS vom 24. März 2015 in Riedbach eingeladen? Falls ja, warum war kein Gemeinderatsmitglied anwesend?

3. Ist der Gemeinderat bereit, bei der BLS den Evaluationsbericht über die 21 Standorte einzufordern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

4. In welchen Gremien betreffend das BLS-Projekt ist der Gemeinderat vertreten?

5. Wie stellt sich der Gemeinderat zum Neubau einer Werkstätte in der Landwirtschaftszone von Riedbach und zum neu eingebrachten Alternativstandort weiter östlich gegenüber dem Coop-Verteilzentrum?

6. Inwiefern hält der Gemeinderat das Projekt konform zum eidgenössischen Raumplanungsgesetz, zum kantonalen Richtplan sowie zur städtischen Bauordnung und dem alten sowie derzeit in Bearbeitung befindenden Stadtentwicklungskonzept?

7. Falls der Gemeinderat den Bau der Werkstätte in Riedbach ablehnt, ist er bereit, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Monsterbau in der Landwirtschaftszone zu wehren, auch wenn der Standort geringfügig verschoben würde? Welche Schritte gedenkt er zu unternehmen?

8. Ist der Gemeinderat bereit, bei jedem Schritt die Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem QBB miteinzubeziehen?

9. Teilt der Gemeinderat die Einschätzung der BLS, wonach das Projekt in einem Plangenehmigungsverfahren nach Eisenbahngesetz realisiert werden kann und keine Umzonung nötig ist?

Begründung der Dringlichkeit: Diesen Montag, 30. März 2015 wird der Gemeinderat mit der BLS zusammenkommen und die Situation besprechen. Es ist demnach dringend notwendig, dass der Gemeinderat rasch über die aktuelle Lage berichtet.

Bern, 26. März 2015