Postulat GB/JA! (Regula Tschanz, GB)

1. inwiefern die Stadt Bern den gesamtschweizerischen Accessibility-Standard eCH-0059 und damit die Rechte von Menschen mit einer Behinderung berücksichtigt;

2. welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um das städtische Portal www.bern.ch für Menschen mit Behinderung barrierefrei zugänglich zu machen;

3. welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um die E-Government-Vorhaben gemäss E-Government-Strategie 2013-2016 der Stadt Bern für Menschen mit Behinderung barrierefrei zugänglich zu machen.

Begründung:

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) setzt Rahmenbedingungen, die es Menschen mit Behinderungen erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und insbesondere selbstständig soziale Kontakte zu pflegen, sich aus- und fortzubilden und eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Wurde der Begriff „Barrierefreiheit“ ursprünglich ausschliesslich in Bezug auf physische Barrieren genutzt (z.B. Zugang zu öffentlichen Gebäuden, baulichen Anlagen, Verkehrsmitteln oder technischen Gebrauchsgegenständen benutzt), regelt das Behindertengleichstellungsgesetz heute auch den Zugang von Menschen mit Behinderung zu Dienstleistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Verfolgt wird dabei der Grundsatz, dass alle behinderten und nichtbehinderten Bürger/innen den gleichen Anspruch haben, Dienstleistungen des Staats in Anspruch zu nehmen.

In Bezug auf Internetseiten steht der Begriff Barrierefreiheit (auch Accessibility) für Seiten, die allen Web-Nutzer/innen unabhängig von körperlichen (insbesondere Sinnesbehinderungen, kognitiven Behinderungen, Lern- und Sprachbehinderungen, motorischen Behinderungen, Epilepsie) oder technischen Einschränkungen zugänglich sind. So sind beispielsweise Personen mit Sehbehinderung oder motorischer Behinderung auf spezielle Massnahmen und technologische Hilfsmittel angewiesen, um uneingeschränkt auf Informationen aus dem Internet zurückgreifen zu können.

Die Behindertengleichstellungsverordnung (BehiV) fordert, dass Informationen und Kommunikationsdienstleistungen der Bundesbehörden über das Internet für Menschen mit Sprach-, Hör- und Seh- oder motorischer Behinderung zugänglich sein müssen. Kantonale und kommunale Stellen sowie private nicht konzessionierte Unternehmen sind nicht an die Standards aus BehiG und BehiV gebunden. Aufgrund der föderalistischen Kompetenzordnung können Kantone aber eigene Richtlinien erlassen. Zudem kann aus dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot zumindest indirekt eine Verpflichtung abgeleitet werden.

In der E-Government-Strategie 2013-2016 der Stadt Bern wird aufgeführt, dass die E-Government-Angebote der Stadt Bern „barrierefrei erreichbar“ sein sollen. Dabei wird nicht weiter ausgeführt, wie der Begriff Barrierefreiheit definiert wird (Zugänglichkeit auch für Menschen mit Behinderung versus rein technische Perspektive wie z.B. Browserkompatibilität) und auf welches Angebot (reine Informationsangebote auf www.bern.ch, Kommunikationsangebote, Geschäfte mit Behörden) sich das Ziel bezieht.

Im Rahmen der Accessibility-Studie 2011 (www.access-for-all.ch) hat die Schweizerische Stiftung zur behindertengerechten Technologienutzung nach 2004 und 2007 zum dritten Mal eine Bestandesaufnahme von vielgenutzten Schweizer Websites durchgeführt. Für die Studie wurden 100 Websites von Bund, Kantonen, den zehn grössten Schweizer Städten, bundesnahen Betrieben und Privaten von Menschen mit Behinderung auf ihre Zugänglichkeit getestet. Die Website der Stadt Bern wurde für Menschen mit Behinderung als „nicht geeignet“ bewertet und konnte im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2007 keine wesentlichen Verbesserungen aufweisen. Das ist enttäuschend: Gerade über die Gemeinde finden die meisten und wichtigsten Kontakte zwischen Bürger/innen und Staat statt. Unzugängliche Webangebote verunmöglichen vielen Menschen eine chancengleiche Beteiligung am Gemeinwesen, behindern die Förderung von Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Partizipation. Hier gilt es auch zu berücksichtigen, dass sich die Informations- und Kommunikationsgewohnheiten von Menschen mit Behinderung durch den Zugang zu Computern und Internet oftmals noch stärker verändert haben, als beim Grossteil der Bevölkerung. Dank der Multifunktionalität können Informationen (im Gegenteil etwa zum gedruckten „Abstimmungsbüchlein“ oder Informationen über die Stadt Bern in der Tagespresse) und Dienstleistungen (im Gegenteil etwa zu Dienstleistungen am Schalter) der Stadt Bern im Internet für alle zugänglich gemacht werden.

Bern, 12. September 2013