Morellhaus sanft sanieren für günstigen Wohnraum
Dringliche Motion GB/JA! (Stéphanie Penher, GB)
Das fünfgeschossige Morellhaus (Postgasse 14) soll einem neuen Zweck zugeführt und deshalb ebenfalls dem Fonds zugewiesen werden. So ist denn auch der Auszug des Ratssekretariats bereits beschlossene Sache. Das Objekt liegt in der unteren Altstadt im Unesco-Weltkulturerbe-Perimeter am Ende einer Gebäudezeile und wird von den Strassen Postgasse und Postgasshalde auf drei Seiten umgeben.
Seit 2002 wird das Gebäude vom Ratssekretariat genutzt. Vorher diente das Haus der Fachstelle für Erwachsenenbildung sowie der Stelle für Ausbildung und Organisation (AOB). Das Morellhaus wurde 1724 als Wohnhaus erbaut und hat seinen Namen nach der langjährigen Besitzerfamilie – bekannt als Apotheker der Rathausapotheke. Das Haus beherbergte im 19. Jahrhundert mal die Spysi, später ein Dienstspital für „alte und gebrechliche Mägde“ und rund zwei Jahrzehnte die Gewerbeschule.
Im Vortrag des Gemeinderates zur Entwidmung und Übertragung vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen steht, dass als Strategieszenario nebst der Investition die Devestition in der Form der Abgabe im Baurecht möglich seien. Der Investitionsbedarf wird bereits in der Grössenordnung von 4 Millionen Franken angegeben. Eine Broschüre des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) über Strategien zur Aufwertung von Wohnraum in der Altstadt dokumentiert die Sanierung der Liegenschaft an der Postgasse 30 in Bern. Der Riegbau stammt aus dem späteren Mittelalter (um 1600). Die Bausubstanz ist ein Skelettbau aus Holz mit einem späteren Anbau aus Sandsteinquadern auf der Nordseite. Trotz des sehr hohen Sanierungsbedarfs ist das Haus sanft saniert worden und bietet heute einfachen und bezahlbaren Wohnraum. Das Morellhaus ist weniger alt, kein Riegbau und – wie die meisten Stadtratsmitglieder aus eigener Erfahrung wissen – in gutem Zustand. Bei einem angenommenen Sanierungsbedarf von 4 Millionen ist deshalb davon auszugehen, dass eine gründliche Sanierung geplant ist, die unweigerlich zu teurem Wohnraum führt.
Das Beispiel der Liegenschaft an der Postgasse 30 zeigt, dass neben den Überlegungen zum Bauprozess immer einer Vision für die Nutzung und die NutzerInnen vorhanden sein muss. Altstadthäuser haben Eigenheiten und verlangen nach einer besonderen Bewohnerschaft. Der erklärt auch warum Altstädte keine einheitliche Nutzerschaft anziehen und der bunte Mix überwiegt, bzw. überwiegen sollte. Das neue Phänomen der Business-Wohnungen verdrängt den klassischen Wohnraum und macht das Quartier anonymer.
Es wäre ein fatales Zeichen an die übrigen LiegenschaftsbesitzerInnen, wenn die Stadt auf diesen Trend einsteigen würde. Vielmehr muss sie mit guten Beispielen vorangehen und sich für ein soziales und kulturelles Leben in der Altstadt engagieren.
Wir fordern deshalb den Gemeinderat auf:
1. Das Morellhaus (Postgasse 14) sanft zu sanieren und bezahlbaren Wohnraum zum Preis von 220.-/m2 zu erstellen.
2. Mit dem ausgewählten Architekturbüro, die Höhe der Sanierungskosten abschliessend bestimmen, damit diese nicht überschritten werden und keine Quersubventionierung nötig wird.
3. Die im Vortrag des Gemeinderates zur Entwidmung und Übertragung vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen, vorgebrachte Variante vorantreiben. Diese sieht eine Nutzung für Musik-, Kultur-, Studenten-, Alten-, Mehrgenerationenhaus mit integrierter Wohnnutzung für neue Wohnformen vor.
Bern, 10. September 2015