Dringliche interfraktionelle Motion AL/PdA/GaP, SP/JUSO, und GB/JA! (Christa Ammann, AL; Mohamed Abdirahim, JUSO; Seraina Patzen JA!; Leena Schmitter, GB): Meldepflicht statt Bewilligungspflicht für politische Kundgebungen

Das Kundgebungsreglememt soll folgendermassen angepasst werden:

1. Die Bewilligungspflicht für politische Kundgebungen wird aufgehoben.

2. Für politische Kundgebungen soll neu – analog zur heutigen Praxis bei Spontankundgebungen – nur noch eine Meldepflicht zwecks Koordination mit     Bernmobil/Verkehrssicherheit gelten.

Im Rahmen des Schweizer OSZE-Vorsitzes 2014 hat das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) im Auftrag des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) eine Überprüfung zur Umsetzung der Verpflichtungen durchgeführt, welche die Schweiz durch ihre Mitgliedschaft bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingegangen ist. Eines der fünf Themen der Selbstevaluation betraf die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit. Gestützt auf die OSZE-Vorgaben wurde im Bericht des SKMR unter anderen folgende Hauptforderung formuliert: Wechsel vom Bewilligungs- zum Meldeverfahren für alle Arten von Kundgebungen; Bewilligungsverfahren nur in Ausnahmesituationen.1

Auch die Motionär*innen vertreten die Ansicht, dass das Demonstrationsrecht, das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Versammlungsfreiheit Grundrechte sind, welche keiner Bewilligung durch staatliche Organe bedürfen. Deshalb fordert die vorliegende Motion die heutige Bewilligungspflicht für politische Kundgebungen aufzuheben.

Das städtische Veranstaltungsmanagement hat in der Vergangenheit Bewilligungsgesuche oft sehr unterschiedlich gewichtet und behandelt: entsprechend wurden Auflagen gemacht, die Gesuchsteller*innen auf andere Termine vertröstet, den Gesuchsteller*innen abgesprochen, dass ihr Anliegen legitim oder wichtig genug wäre, um einen bestimmten Platz nutzen zu dürfen oder durch bestimmte Strassen einen Umzug zu machen.

Die aktuelle Regelung und Praxis führt dazu, dass Gruppierungen, die ihre Rechte kennen, eher eine Kundgebung in ihrem Sinne durchführen können, als Gruppierungen, welche nicht über dieses Wissen verfügen. Diese Ungleichbehandlung ist nicht richtig. Grundrechte müssen allen Menschen gleich zugänglich sein. Der Umgang mit dem Kundgebungsreglement ist ein Beispiel dafür, dass es nicht ausreicht, ein Recht zu haben, sondern dass damit immer unmittelbar die Frage verbunden ist, wie der Zugang zu diesem (Grund-)Recht ist. Eine Meldepflicht ist niederschwelliger und ist somit eine angemessene Reaktion auf die aktuelle Praxis.

In Zukunft sollen politische Kundgebungen nur noch angemeldet werden. So bleibt eine Koordination mit Bernmobil und der Verkehrspolizei weiterhin möglich, zudem kann so auch abgeklärt werden, ob auf einem Platz bereits eine andere Kundgebung stattfindet. Diese Praxis kommt heute schon bei Spontankundgebungen zur Anwendung.

Dringlichkeit: Aufgrund der am 18.2.2017 überwiesenen Motion „Gleiche Rechte für alle: Kundgebungen während den eidgenössischen Sessionen auf dem Bundesplatz erlauben“ steht innerhalb des nächsten Jahres bereits eine Anpassung des Kundgebungsreglements an. Damit nicht innert kurzer Zeit zwei Revisionen notwendig werden, wäre es sinnvoll, die beiden Forderungen gemeinsam zu behandeln.

Bern, 30.11.2017


1 http://www.skmr.ch/cms/upload/pdf/141204_Self-Evaluation_OSCE_Chairmanship_Updated_Version.pdf S. 77 und 13ff.