Interpellation Fraktion GB/JA! (Katharina Gallizzi, GB):

Welche Konsequenzen haben die Klimaziele für das Gasnetz in Bern?

Erdgas ist ein bedeutender Energieträger im Energiemix der Schweiz. Im Zusammenhang mit dem Netto-Null Ziel der Schweiz, über das der Bundesrat am 28. August 2019 entschieden hat, muss die Schweiz ihre Energieversorgung jedoch dekarbonisieren, was bedeutet, dass der Verbrauch von Erdgas drastisch reduziert werden muss[1].

Als Alternativen zu Erdgas werden immer wieder Biogas und synthetisches Gas ins Spiel gebraucht. Beide Varianten werden die Mengen des momentan verbrauchten Erdgases jedoch nie ersetzen. Biogas ist nur in begrenzten Mengen verfügbar. Laut WWF könnte selbst wenn nahezu das gesamte Schweizer Biogas-Potenzial zur Verfügung stünde, bloss ein Neuntel des heutigen Absatzes von fossilem Erdgas (36ʼ000 GWh/a) ersetzt werden[2]. Selbst der Import von Biogas könnte das Problem nicht lösen, denn das Biogas wird beispielsweise in der EU selber gebraucht um die Klimaziele dort umsetzen zu können.

Synthetisches Gas, das mit der sogenannten Power-to-Gas Technologie gewonnen wird, kann das Erdgas ebenfalls nicht ersetzen, denn seine Produktion ist extrem teuer und energieintensiv. Laut Bundesamt für Energie (BFE) kommt die Umwandlung von erneuerbarem Strom in synthetische Gase nur dort in Betracht, wo es volkswirtschaftlich keine sinnvollere Alternative gibt, beispielsweise für Treibstoffe im Schwer-, Flug- oder Schiffsverkehr. Auch für die Speicherung von saisonalen Stromüberschüssen eignet sich synthetisches Gas in der Schweiz nicht, weil es mit grossen und folglich teuren Umwandlungsverlusten verbunden ist und es in der Schweiz günstigere und effizientere Kapazitäten in Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken gibt.

Laut Reto Burkard, Leiter der Sektion Klimapolitik beim BAFU, hat die fossile Gasinfrastruktur im Bereich der Hausversorgung deshalb längerfristig keine Zukunft mehr. Die Gasinfrastruktur soll entsprechen in den kommenden Jahren nicht weiter ausgebaut werden und der geordnete Rückbau oder die Stilllegung der Gasinfrastruktur (nach Ablauf der Amortisationsdauer) muss im Fokus stehen. Auch der WWF folgert, dass es einer Anpassung bei Abschreibungsdauer, Pricing, Unterhaltsplanung und der Einstieg in eine intelligente, regional differenzierte Rückbauplanung bedarf. Unterbleibt dies, steigt die Risikoexposition für die Betreiber und Eigner von Gasnetzen stark.

Anders tönt es bei Daniel Schafer, CEO der EWB: «Sowohl die Gasversorgung als auch das Gasnetz sind Teil der Lösung zur Erreichung der städtischen Energieziele.» wurde er kürzlich in der BZ zitiert.[3] Auch in der gegenwärtig Planung von Tiefbauprojekten der Stadt Bern scheinen die Überlegungen von BFE, BAFU und WWF noch nicht einzufliessen. So sollen am Schiferliweg/Buchserstrasse oder an der Monbijoustrasse die Gasnetze umfassend saniert oder gar ausgebaut werden.

Vor diesem Hintergrund bitten wir den Gemeinderat um die Beantwortung der folgenden Fragen:

  1. Teilt der Gemeinderat die Ansicht von EWB, dass das Gasnetz Teil der Lösung für die Erreichung der städtischen Energieziele ist? Wie würde eine solche Lösung aussehen?
  2. Wie sieht der Gemeinderat die kurz-, mittel- und langfristige Zukunft des Gasnetzes in Bern? Welche Konsequenzen zieht er daraus für den Ausbau und Unterhalt des Gasnetzes?
  3. Welche Massnahmen werden ergriffen, um das finanzielle Risiko des zu erwartenden Rückgangs der Auslastung des städtischen Gasnetzes möglichst gering zu halten?
  4. Gibt es eine Rückbauplanung für das Gasnetz und wird diese regional abgestimmt? Falls nein, ist der Gemeinderat bereit entsprechende Überlegungen anzustellen?
  5. Wie kann sichergestellt werden, dass das Gasnetz nicht in Konkurrenz zu erneuerbaren Wärmenetzen steht z.B. weil es finanzielle Ressourcen bindet, die nicht in den Ausbau von nachhaltigen Alternativen investiert werden oder weil Gas für die Konsumenten weiterhin ein günstiger und attraktiver Energielieferant ist?

Bern, 16. Jan. 2020

[1] Bundesamt für Energie: «Künftige Rolle von Gas und Gasinfrastruktur in der Energieversorgung der Schweiz», Okt 2019
[2] WWF: «Factsheet Erdgas – Biogas – Power-to-Gas Potenziale, Grenzen, Infrastrukturbedarf», 2018
[3] BZ: «EWB-Chef will das Gasnetz noch lange weiterbetreiben», 17.12.2019