Vernehmlassung: Kulturbotschaft des Gemeinderats 2024-2027
Die Kulturbotschaft will die Verteilung der Fördermittel vereinfachen und demokratisieren. Der Zugang zu den Fördermitteln soll niederschwelliger werden, ein breiter Kulturbegriff soll Menschen mit unterschiedlichen Zugängen zu Kultur berücksichtigen. Diese Stossrichtung unterstützt das Grüne Bündnis. Insbesondere begrüssen wir den Schwerpunkt der Verbesserungen der Löhne und der Sozialversicherungen, hier besteht ein grosser Aufholbedarf, um den teilweise sehr prekären Arbeitsbedingungen vieler Kulturschaffenden entgegenzuwirken. Wir wissen noch nicht, welche mittelfristigen Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die sozialen Verhältnisse der Kulturschaffenden hat. Die vorgesehenen Kürzungen stehen im Widerspruch zu diesem Schwerpunkt des Gemeinderates. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass die Förderung durch die Stadt Bern oft Grundlage für den Erhalt weiterer Fördergelder ist (z.B. vom Kanton, der Burgergemeinde oder von Stiftungen). Werden also deutlich weniger Projekte gefördert, kann dies für die nicht unterstützten Projekte weitreichende Folgen haben.
Die vorliegende Kulturbotschaft enthält noch einige Punkte, die unklar formuliert sind und erst angedacht wirken (z.B. Umsetzung des 1-Kommissionsmodell in der Projektförderung, etc.). Hier braucht es noch Konkretisierungen im Dialog mit den betroffenen Kulturschaffenden.
Das Grüne Bündnis nimmt folgendermassen zu einzelnen Aspekten der Kulturbotschaft Stellung:
zu 2. Querschnittsthema soziale Nachhaltigkeit
Die Kulturbotschaft vertritt das Anliegen, die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden zu verbessern. Gleichzeitig wird der finanzielle Rahmen enger gesteckt. Es kann nicht gleichzeitig die soziale Situation der Kulturschaffenden verbessert und gespart werden. Die Reduktion der direkten Kulturförderung um 605’000 Franken pro Jahr muss nicht nur rückgängig gemacht werden, sondern die Kulturförderung muss entsprechend erhöht werden. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass die unterschiedlichen Sparten in diesem Zusammenhang an unterschiedlichen Punkten stehen.
Die Stadt soll nicht nur im Hinblick auf die eigene Kulturförderung einen Schwerpunkt setzen, sondern sich auch auf anderen Ebenen für soziale Nachhaltigkeit einsetzen.
zu 2. Querschnittsthema ökologische Nachhaltigkeit
Wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit in der Kulturbotschaft festzuschreiben, ist sinnvoll, aber es braucht gute Ideen und Geld zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Gerade in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit ist die Kulturbotschaft noch wenig konkret. Zudem sind in Bezug auf diesen Aspekt nur Fortschritte möglich, wenn genügend finanzielle Ressourcen dafür gesprochen werden.
zu 2: Schwerpunktthemen: Diversität in der Kulturförderung; kulturelle Vielfalt
Der Plan, die Kulturförderung diverser auszugestalten und zu erreichen, dass das kulturelle Angebot die Vielfalt der Bevölkerung spiegelt, ist begrüssenswert. Insbesondere sind alternative Eingabemöglichkeiten bei der Förderung und eine grössere Diversität bei der Zusammensetzung von Förderinstitutionen vielversprechende Ansätze. Um die Förderung zugänglicher und niederschwelliger zu gestalten, sollen Informationen in verschiedenen Sprachen und barrierefrei zur Verfügung gestellt und Unterstützung im Eingabeprozess angeboten werden.
zu 3: Förderkredite
Das Grüne Bündnis begrüsst es, dass es insgesamt weniger Kredite gibt. So wird die Förderung nachvollziehbarer und breiter zugänglich. Grundsätzlich ist es zentral, dass die Förderkriterien transparent sind. Es gibt jedoch nach wie vor Kredite, deren Zweck sich uns nicht erschliesst: Die Kredite “Schwerpunktkredit” und “Stadtentwicklung durch Kultur” sollen dem Kredit “Projekt- und Programmförderung” zugeführt werden.
Insbesondere begrüssen wir, dass auch Breitenkultur gefördert wird. Irritierend ist, dass die Kinder- & Jugendkulturförderung nach wie vor nicht Teil der Kulturbotschaft ist, obwohl sie in der Kulturstrategie einen wesentlichen Schwerpunkt darstellt.
Aufhebung Spartenkredite:
Die Idee, die einzelnen Spartenkulturkommissionen aufzuheben, ist gut und entspricht einem interdisziplinären, breiten und demokratischen Kunstbegriff. Die Aufhebung der verschiedenen Fördergremien kann zu einer Demokratisierung der Förderpraxis führen. Das aktuelle System entspricht für viele Kulturschaffende nicht mehr der Realität und es gibt Kreationsbereiche, die heute zu keinem Kredit passen.
Bei der Ausgestaltung ist es allerdings sehr wichtig, dass klare und transparente Förderkriterien dafür sorgen, dass die Förderung für die Kulturschaffenden berechenbar bleibt. Der Vorschlag ist in der Kulturbotschaft leider erst skizziert – das Gelingen der Umstrukturierung steht und fällt jedoch mit der Umsetzung des neuen Systems. Hier braucht es im Dialog mit Kulturschaffenden eine baldige Klärung, in welche Richtung diese gehen soll. Konkret muss die Zusammensetzung der neuen Kommission geklärt werden: Es stellt sich die Frage, von wie vielen und von welchen Kommissionsmitgliedern die Eingaben begutachtet werden. Ein Modell, bei dem die Einreichenden angeben können, durch welche Fachperspektive ihr Gesuch beurteilt werden soll, fänden wir hier zum Beispiel sehr vielversprechend.
Es braucht ein transparentes Monitoring, wie das Geld verteilt wird, vermutlich sollte hier neben weiteren Kriterien die «alte» Spartenlogik immer noch abgebildet werden, so dass zum Beispiel nicht plötzlich kaum noch Tanzprojekte realisiert werden. Die Projekte sollen gemäss Kulturbotschaft besser finanziert werden, so dass die Kulturschaffenden einen angemessenen Lohn erhalten, gleichzeitig sollen durch die kulturelle Öffnung und durch die Berücksichtigung grösserer Diversität mehr Menschen Zugang zu Finanzierungen bekommen. Das sind gute Ansinnen. Wenn aber die Fördergelder nicht deutlich erhöht werden, bedeutet das eine grössere Konkurrenz zwischen mehr Kulturschaffenden um weniger Gelder. Es braucht eine Berechnung, wie viel Geld es braucht, um die Projekte so zu finanzieren, dass die Löhne angemessen sind, dass mehr Menschen und Gruppen Finanzierungen beantragen können, dass Kultur inklusiver und nachhaltiger wird. Das führt zu einer massiven und nötigen Erhöhung der Fördermittel.
zu 4: Leistungsverträge
Das Grüne Bündnis spricht sich grundsätzlich gegen Kürzungen im Kulturbereich aus. Die gerade durch die Pandemie stark betroffenen Kulturschaffenden sollen nicht noch weiter geschwächt werden, dies betrifft auch die Institutionen. Wir begrüssen die Erhöhung der Beiträge für die unterfinanzierten Häuser.
Zudem begrüssen wir grundsätzlich das neue Orchesterförderungsmodell. Es sei auch hier darauf hingewiesen, dass sich die vorgesehene Förderhöhe von 300’000.00 unter Einbezug der vertraglichen Richtgagen unter der heutigen Förderbeiträgen bewegt. Der Förderungsbetrag widerspricht so dem Ziel des neuen Modells, auch neue, junge Orchester zu unterstützen, ohne bewährte Orchester nicht mehr zu berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar ist es, wieso das Berner Kammerorchester nicht mehr einen tripartiten Leistungsvertrag erhält und Camerata und das Swiss Jazz Orchestra hingegen schon.
Der Kürzung beim Haus der Religionen stehen wir kritisch gegenüber. Die Institution leistet im interkulturellen Bereich wichtige Arbeit und die beträchtliche Kürzung ist sehr einschneidend. Gerade mit einem breiten Kulturbegriff und der Zielsetzung, dass Kultur einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen soll, ist die Kürzung nicht vertretbar.
Die Kinobranche ist in den letzten zehn Jahren massiv unter Druck, was durch die Pandemie noch verstärkt worden ist. Die Kürzung beim Kino Rex ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich. Vielmehr sollte eine Erweiterung der Förderung der Programmkinos ins Auge gefasst werden.
Die Kürzungen bei Bühnen Bern sind aus unserer Sicht in Ordnung so lange die Institution nicht bereit ist, die Löhne der Geschäftsleitung transparent zu machen. In diesem Zusammenhang ist die Stadt gefordert, darauf zu schauen, dass die Kürzungen nicht zu Lasten der anderen Lohnabhängigen führen.
Zudem schlagen wir vor, längerfristig einen Leistungsvertrag mit dem Kulturbüro ins Auge zu fassen. Dieses ist durch den Teilrückzug des Migros Kulturprozentes nun gefährdet. Die Dienstleistungen des Kulturbüros sind für eine Vielzahl von Künstler*innen notwendig.
zu 5: Übersicht
Die Kulturbotschaft schlägt vor, neue Produktegruppen einzuführen. Nicht nur Häuser, sondern freie Kulturschaffende sollen gefördert werden. Die Unterscheidung «Freie Mittel / Abgeltung Institutionen» ist nicht stimmig, aber immerhin ist bei dieser Unterscheidung sichtbar, wer gefördert wird. Bei den neuen Produktegruppen «Kreation», «Plattform», «Interpretation» ist nicht ersichtlich, wie viel Geld den freien Kulturproduktion zugute kommt und wie viel Geld durch Leistungsverträge gebunden ist. Dies muss aber nachvollziehbar sein, damit geprüft werden kann, ob die freien Kulturgruppen den vorgesehenen Anteil bekommen. Es ist auch nicht verständlich, was durch diese Unterscheidung kulturpolitisch alternativ genau gesteuert werden soll. Wo Kreation aufhört und wo Interpretation anfängt, ist uns nicht klar und politisch kein griffiges Fördermerkmal. Deshalb sind die drei Produkte keine geeignete Instrumente zur Kulturförderung.
Weitere Bemerkung: Kulturagenda
Die Kulturbotschaft äussert sich nicht explizit zur Zukunft der Kulturagenda. Das Grüne Bündnis findet es zielführend, wenn die Stadt hier baldmöglichst eine aktive Rolle übernimmt, um die Veranstalter*innen darin zu begleiten, eine nachhaltige Anschlusslösung an die heutige BKA zu erarbeiten. Die Stadt hat sowohl kultur-, wie auch medienpolitisch ein grosses Interesse, das von der Stadt geförderte Kulturschaffen dem Publikum auch zugänglich zu machen. Hier ist, falls notwendig, auch eine grössere als vorgesehene finanzielle Unterstützung zu prüfen.