Grundsätzliches

Das Grüne Bündnis Bern (GB) begrüsst, dass der Fusionsprozess und die Grundlagen für die fusionierte Gemeinde im Fusionsvertrag (FV) und im Fusionsreglement (FusR) konkretisiert werden. Das GB ist der Meinung, dass eine Fusion zwischen der Stadt Bern und der Gemeinde Ostermundigen (OM) eine Chance sein kann. Eine Chance, mit sozialer und konsequent grüner Politik die Lebensqualität der Ostermundiger*innen und Berner*innen zu erhöhen. Eine Chance, den Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise zu erhöhen. Eine Chance, der Wohnungsnot und Gentrifizierung etwas entgegenzusetzen. Eine Chance, sozio-politische Prozesse inklusiver und partizipativer zu gestalten. 

Um diese Chancen wahrzunehmen, sind die vorliegenden Verhandlungsergebnisse aus Sicht des GB in verschiedenen Bereichen jedoch nicht überzeugend. Eine erstaunlich grosse Anzahl an Bereichen sollen gemäss Fusionsvertrag (FV) und Fusionsreglement (FusR) erst nach dem Fusionsbeschluss neu geregelt werden (z.B. politische Organisation, Mitwirkung und Partizipation) oder auch nach dem Zusammenschluss unterschiedlich geregelt bleiben (z.B. baurechtliche Grundordnung, Planungsmehrwertabgabe, Baumschutz, Energierichtpläne, Parkplatzregelungen, Abfallentsorgung, Polizei, etc.).

Im Folgenden erläutert das GB seine Haltung zu den Punkten, die es bereits im Vorfeld zu den Verhandlungen eingebracht hat und die teilweise in die vorliegenden Unterlagen eingeflossen sind. Mit diesen Erläuterungen weist das GB auch darauf hin, dass es im Hinblick auf die anstehende Volkabstimmung gilt, zu den erwähnten Punkten und offenen Fragen überzeugende Antworten zu finden, um in beiden Gemeinden Mehrheiten für die Fusion zu gewinnen.                               

Gemeinderat

(Art. 18, FV und Art. 6, FusR)

Das Grüne Bündnis (GB) sieht die Fusion seit jeher als Chance, die politische Organisationsstruktur der Stadt Bern (Anzahl Mitglieder des GR, Direktionsstruktur, Zuweisung von Aufgaben) zu überprüfen und anzupassen. Es ist daher aus Sicht des GB bedauerlich, dass dieser Prozess der Umstrukturierung nicht in das Fusionsprojekt integriert wurde.

Da der Fusionsvertrag (FV) und das Fusionsreglement (FusR) jedoch vorsehen, diese Umstrukturierung im Rahmen der ersten Legislatur nach der Fusion vorzunehmen (Art. 18, Abs. 2, FV, Art. 6, FusR), besteht aus Sicht des GB immerhin die Möglichkeit, dies innerhalb von absehbarer Zeit nachzuholen. In diesem Prozess wird das GB weiterhin überzeugt für einen siebenköpfigen Gemeinderat eintreten.

Fusionsbeauftragte Person

(Art. 19, FV & Art. 7-9, FusR)

Die fusionsbeauftragte Person wird für eine einmalige Amtszeit von der Stimmbevölkerung der Einwohnergemeinde Ostermundigen (OM) gewählt und vertritt die Interessen des neuen Stadtteils VII (OM) bei allen fusionsrelevanten Geschäften mit beratender Stimme und Antragsrecht im GR (Art. 7, FusR). Die fusionsbeauftragte Person ist den Mitgliedern des GR hierarchisch gleichgestellt und hat denselben Lohn (Art. 8, FusR). Sie hat zudem Einblick in sämtliche Geschäfte des GR und entscheidet selbst, welche Geschäfte sie als fusionsrelevant erachtet (Art. 9, FusR).

Sicht des GB hat die fusionsbeauftragte Person damit – insbesondere im Vergleich mit anderen Quartieren – sehr weitreichende Kompetenzen und es wäre sinnvoll, im Vorfeld festzuschreiben, welche Geschäfte fusionsrelevant sein sollen.

Mitwirkung und Partizipation

(Art. 20, FV & Art. 10 – 17, FusR)

Das GB sieht die Fusion als Chance, die Mitwirkung und Partizipation in der Stadt Bern zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu gestalten. Auch hier bedauert das GB, dass dieser Prozess nicht vor dem Zusammenschluss breit abgestützt durchgeführt wurde. Gleichzeitig begrüsst das GB, dass dieses Thema innert vier Jahren nach Zusammenschluss angegangen und ein Reglement zur Stadtteil-Mitwirkung erarbeitet werden soll (Art. 21, FV & Art. 16, FusR).

Das gewählte Modell für die Mitwirkung des neuen Stadtteils VII (OM) erachtet das GB hingegen aus verschiedenen Gründen als problematisch. Die Stadtteilkommission OM wird je nach Variante von der Stimmbevölkerung oder dem Grossen Gemeinderat OM gewählt (Art. 11, FusR). Dadurch erhöht sich aus Sicht des GB die Schwelle zur Mitwirkung, statt diese zu senken. Auch die Regelung zur Mitwirkung der ausländischen Bevölkerung (Art. 13 FusR) ist aus Sicht des GB nicht zielführend. Erstens ist schwer vorstellbar, inwiefern die gesamte (heterogene) ausländische Bevölkerung von einer einzigen Person vertreten werden soll. Zudem ist es störend, dass diese Vertretung in der Stadtteilkommission kein Stimmrecht hat. Weiter wird die Stadtteilkommission von der fusionsbeauftragen Person präsidiert (Art. 10, Abs. 2, FusR). Der Stadtteil VII (OM) hat damit eine direkte Vertretung im GR und ist gegenüber den Stadtteilen der bisherigen Stadt Bern übervorteilt. Im Hinblick auf das zu erarbeitende Reglement über die Stadtteil-Mitwirkung könnte es zudem schwierig werden, diese demokratischen Rechte des Stadtteils VII (OM) wieder abzuschaffen. Es wird also ein Präzedenzfall geschaffen in einer Frage, die so in Bern noch nicht abschliessend diskutiert werden konnte.

Das GB spricht sich in diesem Punkt klar für Nachverhandlungen aus. Statt der vorgesehenen Stadtteilkommission soll in Ostermundigen analog zu den anderen Stadtteilen der Stadt Bern eine Quartierkommission mit den gleichen strukturellen und finanziellen Bedingungen eingeführt werden. Damit bestehen für alle Stadtteile die gleichen Grundlagen im Hinblick auf die Neugestaltung der Stadtteil-Mitwirkung im Rahmen der ersten Legislatur.

Baurechtliche Grundordnung

(Art. 24, FV; Art. 29-33, FusR)

Die Fusion ist aus Sicht des GB eine Chance, die Lebensqualität für die Bevölkerung in Bern und OM zu erhöhen und gleichzeitig die negativen Folgen der Gentrifizierung aufzufangen.

Der FV und das FusR sehen vor, dass die baurechtliche Grundordnung von OM (Baureglement, Zonenplan, Schutzzonenplan, Zonenplan Naturgefahren) sowie die bestehenden Richtpläne und die Räumliche Entwicklungsstrategie (RES) nach dem Zusammenschluss bestehen bleiben. Die Planungskommission will die Ortsplanungsrevision (Projekt O’mundo) auf diesen Grundlagen abschliessen. Das Ergebnis der Revision wird vom GR zuhanden der Stimmbevölkerung der fusionierten Gemeinde ohne Beratung und Beschlussfassung im Stadtrat verabschiedet (Art. 30, Abs. 6, FusR).

Zwar kann das GB das Anliegen, die Ortsplanungsrevision in Ostermundigen abzuschliessen, nachvollziehen. Gleichzeitig ist die Tatsache, dass in der fusionierten Gemeinde zwei unterschiedliche baurechtliche Grundordnungen bestehen und sich der Stadtrat zu derjenigen des Stadtteils VII (OM) nicht einmal äussern kann, demokratiepolitisch schwierig. Zudem finden dadurch verschiedene Vorgaben der Stadt Bern (Wohn-Initiative, Planungsmehrwertabgabe, Baumschutz) im neuen Stadtteil VII (OM) keine Anwendung. Besonders kritisch sieht das GB dies in Bezug auf die Wohn-Initiative (Art. 44, Abs.3, FV). Damit wird ein wirksames Instrument gegen Wohnungsnot, für mehr günstigen Wohnraum und gemeinnützigen Wohnungsbau in OM nicht umgesetzt und eines der Hauptargumente für die Fusion – Wohnungsnot und Gentrifizierung aufzufangen – fällt weg.

Das GB regt daher an, in Nachverhandlungen zu klären, inwiefern die Ortsplanungsrevision (O’mundo) mit den wichtigsten Punkten der baurechtlichen Grundordnung der Stadt Bern (z.B. Wohninitiative, Biodiversität, Planungsmehrwertabgabe, Baumschutz) zusammengeführt werden kann. 

Personal

(Art. 25 – 30, FV)

Es ist zu begrüssen, dass das gesamte Personal der Gemeinde OM in die fusionierte Gemeinde integriert werden soll (Kündigungsschutz) und dem Personalrecht der bisherigen Stadt Bern untersteht (Art. 25, FV). Damit verbessern sich die Arbeitsbedingungen für einen Grossteil des Personals in OM. Gleichzeitig sind die Regelungen zum Besitzstand (Art. 27, Abs. 4, FV) und die Vorsorgelösung (Art. 30, FV) für einen Teil des Personals aus OM nicht zufriedenstellend.  

Das GB erwartet, dass diese offenen Fragen in Verhandlungen mit den Sozialpartner*innen und Gewerkschaften geklärt werden.

Klima, Energie und Verkehr

(Art. 52, 62-64, FV; Art. 27, 29, Abs.2, FusR)

Die Fusion soll dazu beitragen, die Bekämpfung der Klimakrise zu stärken und wirksame Massnahmen auf ein grösseres Gebiet auszudehnen.

Es ist daher zu begrüssen, dass das Klimareglement und die Energie- und Klimastrategie der Stadt Bern die Grundlage für die Energie- und Klimapolitik der fusionierten Gemeinde bilden. Gleichzeitig ist es in Anbetracht der rasant fortschreitenden Klimakrise unverständlich, dass die im Klimareglement festgelegten Absenkpfade für OM nicht gelten sollen (Art. 52, Abs. 2 FV). Die Stadt Bern und OM bilden einen gemeinsamen urbanen Raum, für den auch die gleichen Vorgaben punkto Energie- und Klimapolitik gelten sollen. Für bürokratische Verzögerungen im Kampf gegen die Klimakrise ist schlicht keine Zeit mehr.

Die Tatsache, dass zwei verschiedene Energierichtpläne gelten (Art. 29, Abs. 2, FusR) und mit ewb für die bisherige Stadt Bern und BKW Energie AG für den neuen Stadtteil VII (OM) zwei verschiedene Stromversorgungsgebiete mit unterschiedlicher Gebühren- und Preisstruktur bestehen werden (Art. 62, Abs.1, FV) betrachtet das GB kritisch. Die Übernahme des Stromnetzes und der Versorgung des Stadtteils VII (OM) durch ewb soll so früh wie möglich geprüft und umgesetzt werden (Art. 62, Abs.6, FV).

Der Ausbau der Fernwärme soll nach Ansicht des GB auch in OM zügig vorangetrieben werden. Es ist daher bedauerlich, dass weder die fusionierte Gemeinde noch ewb verpflichtet werden, das Fernwärmenetz nach dem Zusammenschluss im neuen Stadtteil VII (OM) auszubauen (Art. 64, Abs.1, FV).

Die Regelung zum ruhenden Verkehr und den Parkplätzen ist ebenfalls unbefriedigend. Es ist schwierig vorstellbar, wie in der fusionierten Gemeinde eine nachhaltige Mobilität gefördert werden soll – die zwingend mit einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und damit auch der Parkplätze einhergehen muss – wenn für einen Stadtteil (OM) lockerere Vorgaben gelten (Art. 24, FusR).

Budget und Finanzgeschäfte

(Art. 3, Abs. 3, 67-68, FV; Art. Art. 34 – 36, FusR)

Im Abschnitt zu den Treuepflichten (Art. 3, FV) wird festgehalten, dass Finanzgeschäfte, die weder im Budget noch in im Investitionsplan vorgesehen sind, die Genehmigung des Gemeinderats der jeweils anderen vertragsschliessenden Partei bedingen. Das bedeutet, dass der Stadtrat von Bern 2024 keine weiterführenden Projekte beschliessen kann ohne Einverständnis des Gemeinderats OM.

Für das GB ist es wichtig, zu klären, ob diese Regelung tatsächlich auf sämtliche Geschäfte angewendet werden soll und allenfalls im FV eine «Freibetrag» festzulegen, damit Kleinstprojekte in der Übergangsphase zwischen Fusionsbeschluss und Zusammenschluss davon nicht betroffen sind.

Weiter sollen das Budget 2025 und der Finanzplan gemeinsam erarbeitet werden. Dazu nimmt eine Vertretung aus OM mit Antrags- und Stimmrecht an den Beratungen und Beschlussfassung im GR der Stadt Bern teil (Art. 34, Abs. 3, FusR). Weiter nehmen 10 Vertreter*innen des Grossen Gemeinderats OM mit Antrags- und Stimmrecht an der Beratung und Beschlussfassung des Stadtrats teil (Art. 34, Abs. 4, FusR). Die Stimmbevölkerung der Stadt Bern und der Gemeinde OM stimmen im Herbst 2024 gemeinsam über Budget 2025 und Finanzplan ab.

Die Beratung des Budgets 2025 wird also von 10 Personen beeinflusst, die in der Stadt Bern keine demokratische Legitimation besitzen. In einem Parlament mit 80 Sitzen können 10 zusätzliche Stimmen jedoch signifikante Abweichungen mit sich bringen. Die Stadt Bern riskiert mit dieser Regelung, den politischen Willen der Berner Stimmbevölkerung zu verfälschen. 

Transparenz zu den Kosten der Fusion

In FV und FusR sind keine Informationen zu den finanziellen Implikationen der Fusion ersichtlich. Auch auf der Website zur Fusion sind nur sehr grobe Angaben zu finden. So wird von einer wiederkehrenden Mehrbelastung von jährlich rund 3.1 Mio. CHF, von Steuermindererträgen von insgesamt rund 11 Mio. CHF und einmaligen Fusionskosten zwischen 4.2 und 14.6 Mio. gesprochen.

Das GB wünscht sich hier mehr Transparenz, eine detailliertere Aufschlüsselung der einzelnen Posten, sowie Erläuterungen zu den Berechnungsgrundlagen.

Diverses

  • Strassennamen (Art. 4, Abs. 3, FV)

Das Grüne Bündnis (GB) regt an, im Fusionsvertrag oder im Fusionsreglement festzuhalten, dass bei der Benennung von neuen Strassen und Plätzen in der gesamten fusionierten Gemeinde Frauennamen zum Zuge kommen, bis deren Anteil mindestens 50% erreicht hat.

  • Kinder- und Jugendarbeit (Art. 27, Abs. 6, Art. 41, Abs. 2, FV)

Der FV und das FusR geben zur Weiterführung der offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen OKJA nur sehr grob Auskunft. Das GB erwartet, dass die offenen Fragen rund um den Zeitplan, den Prozess, die Bedingungen und die zusätzlich benötigte Finanzierung für die Erweiterung des Angebots noch vor dem Fusionsbeschluss unter Mitwirkung der betroffenen Institutionen (OKJA Ostermundigen, DOK, toj) geklärt werden.

  • Parlamentarische Vorstösse (Art. 34, FV)

Absatz 2, nach welchem sämtliche hängigen Vorstösse dem Stadtrat zur Kenntnis gebracht werden sollen, um zu überprüfen, ob sie durch die Fusion gegenstandslos oder undurchführbar geworden sind, ist zu streichen. Der mit diesem Vorhaben verbundene Aufwand steht in keinem Verhältnis zu seinem Nutzen und ist kaum durchführbar.

  • Kita «Hummelinäscht» (Art. 54, FV)

Die Kita «Hummelinäscht» in OM wird für vier Jahre nach der Fusion ausserhalb der Spezialfinanzierung geführt. Allfällige Verluste werden über den allgemeinen Haushalt gedeckt. Es ist zu klären, ob und wie die Kita Hummelinäscht nach Ablauf der ersten vier Jahre in die Spezialfinanzierung integriert wird und welche Folgen das hat.

  • Ressourcenverträge mit der Kantonspolizei: (Art. 50-51, FV)

Statt die bestehenden Ressourcenverträge mit der Kantonspolizei weiterzuführen (Art. 50, Abs. 1, FV), soll aus Sicht des GB die Umstellung auf eine eigene Stadtpolizei geprüft und vorbereitet werden. Es handelt sich hierbei um ein altbekanntes Anliegen, das als solches auch im FV und dem FusR Eingang finden sollte.

  • Abfallentsorgung (Art. 60, FV, Art. 23, FusR):

Zwei unterschiedliche Abfallentsorgungssysteme auf einem Stadtgebiet sind nicht sinnvoll. Die Zusammenführung soll so rasch wie möglich erfolgen.

 

ZUR VERNEHMLASSUNG