
Ungewohnte Mehrheitsverhältnisse und die Freude an kleinen Fortschritten
Die Mehrheitsverhältnisse im Kantonsparlament sind für eine Stadtbernerin gewöhnungsbedürftig. Umso grösser ist die Freude an unseren Erfolgen in der Frühlingssession.
Die Frühlingssession 2025 – meine vierte Session im Grossen Rat – ist zu Ende gegangen. Vieles ist noch neu für mich, zum Beispiel die ungewohnten Mehrheitsverhältnisse. Für jeden grünen Erfolg sind im Vorfeld viel Geduld, Kompromisse und Überzeugungsarbeit nötig. Umso grösser ist dann die Freude über erreichte Fortschritte.
Zum Beispiel darüber, dass der Grosse Rat nicht seinem Büro gefolgt ist, das eine Motion für eine Stellvertretungsregelung während des Mutterschaftsurlaubs unerfüllt abschreiben wollte. Eine Mehrheit des Kantonsparlaments hielt an der Motion fest: Nach einer Geburt sollen sich Ratsmitglieder vertreten lassen und erholen können, ohne dass ihre Stimme verloren geht. Wir sehen dies insgesamt als Vorteil, obwohl wir uns damit auch einen Nachteil einhandeln: Die nationale Gesetzgebung besagt nämlich, dass – wenn im betreffenden Parlament eine Stellvertretungsregelung vorhanden ist – eine Parlamentarierin den Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigung verliert, sollte sie auf eine Stellvertretung verzichten und an einer Ratssitzung teilnehmen. Ohne Stellvertretungsregelung könnten Parlamentarierinnen im Mutterschaftsurlaub also unter Druck kommen, trotz Urlaub an einer Sitzung teilzunehmen, weil sonst eine Fraktionsstimme wegfällt.
Weiter hat der Grosse Rat den Regierungsrat beauftragt, sich für den Erhalt des Service Public bei der Post einzusetzen – dies vor dem Hintergrund der geplanten Schliessung von Poststellen. Mit grosser Mehrheit hat das Parlament sich weiter für eine Stärkung der hausärztlichen Medizin durch sogenannte «Advanced Practice Nurses APN» ausgesprochen. Dies sind spezialisierte Pflegefachpersonen mit mehr Kompetenzen in der Gesundheitsversorgung – ein wichtiger Schritt zur Aufwertung der Pflegeberufe.
Weniger erfreulich ist der Umgang der bürgerlichen Mehrheit mit marginalisierten Gruppen: Weder wollte sie die rigiden Aufenthaltskriterien für Einbürgerungen lockern, noch gleichgeschlechtlichen Paaren, die ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln wollen, die Gebühren erlassen. Auch der Mietinitative, für die das GB fleissig Unterschriften gesammelt hat und die verlangt, dass der Mietzins bei einem Mieter*innenwechsel offen gelegt wird, hat der Grosse Rat eine deutliche Absage erteilt. Zumindest diesen Fehlentscheid kann die Stimmbevölkerung an der Urne korrigieren.
Regula Bühlmann, GB-Grossrätin