Politisch nicht genehme Richterin

Wird eine Richter*innen-Stelle im Kanton Bern frei, wählt der Grosse Rat Ersatz aus dem Kreis der Kandidat*innen, die vom vorberatenden Kommissionsausschuss das Prädikat «sehr geeignet» erhalten und einer Partei angehören, die gemäss Parteienstärke Anspruch auf einen Sitz hat. Im März ging es um eine Stelle am Obergericht, wo die GRÜNEN stark untervertreten sind. So bewarb sich eine GRÜNE Gerichtspräsidentin, die seit 15 Jahren am Regionalgericht in Bern richtet und bestens qualifiziert ist. Ihr “Manko”: Sie hatte in der Vergangenheit zwei Exponenten der Jungen SVP (JSVP) wegen Rassendiskriminierung verurteilt, zwei Polizisten wegen Amtsmissbrauch bestraft und im sogenannten Effy-Prozess gegen Hausbesetzer*innen an der Effingerstrasse 29  kein Exempel gegen böse Besetzer*innen statuiert, sondern einfach das Recht angewendet. Obwohl die Urteile durch die höheren Instanzen bis hin zum Bundesgericht bestätigt wurden – das Urteil im Effy-Prozess ist vor Obergericht noch hängig – war die Richterin den Rechtsbürgerlichen nicht genehm. So überzeugten die Rechten den vorberatenden Ausschuss, der GRÜNEN Kandidatin die Note «sehr geeignet» zu verwehren, um sie für die Wahl aus dem Spiel zu nehmen. Begründet wurde dies vordergründig mit fachlichen Defiziten. An ihrer Stelle wurden dann zwei 15 Jahre jüngere SP- und SVP-Kandidat*innen gewählt.

Dieser Vorgang ist rechtsstaatlich und demokratiepolitisch höchst bedenklich – hier wurde eine Richterin abgestraft, weil sie zu wenig rechts richtet. Während die SVP ebendies mit der Unterstützung sämtlicher anderer Fraktionen abstritt und stattdessen die GRÜNEN zum Störenfried erklärte, sassen die beiden verurteilten JSVP-Politiker selbstgefällig auf der Rathaustribüne und verfolgten die Nichtwahl der Richterin, die sie verurteilt hatte. 

Opferhilfestrategie zurück an den Absender

Regierungsrat Schnegg kassierte in der Frühlingssession eine Abfuhr: Der konservativ-neoliberale SVP-Magistrat hatte eine Opferhilfestrategie vorgelegt, die häusliche Gewalt zu einem Migrationsthema machen, Beratungsangebote und Frauenhäuser abbauen und Mittel von der Opferhilfe zur Täterbekämpfung umlagern wollte. Diese Ungeheuerlichkeit konnte zum Glück vorerst abgewendet werden. Eine Koalition aus Frauen fast aller Parteien überzeugte den Grossen Rat dazu, die Strategie zurückzuweisen. Damit ist zwar noch nichts gewonnen: Von einer Überarbeitung ist wahrscheinlich nicht viel zu erwarten und mehr Mittel sind trotz überwiesener Vorstösse, z.B. für ein Mädchenhaus, kaum realistisch. Zumindest zeigte sich, dass nicht jede faktenfreie Zumutung vor diesem Parlament Bestand hat. Das macht Hoffnung.

Für Regierungsrat Schnegg war die Session wenig erbaulich, so überwies der Grosse Rat auch mehrere Vorstösse gegen den Pflegenotstand und baute die Unterstützung für die Kinder- und Jugendpsychiatrie etwas aus.

Kriegsgewinne und Berner Hilfe für Putin

Gemäss einem Bericht des «Economic Security Council of Ukraine» haben Schweizer Unternehmen seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im März 2014 weiterhin sogenannte Dual-Use-Güter an russische Rüstungsfirmen geliefert und damit wissentlich die Waffenproduktion und somit den Krieg unterstützt. Es sind auch zwei Unternehmen aus dem Kanton Bern in diesem Bericht aufgeführt: Die Fritz Studer AG aus Steffisburg hat Rundschleifmaschinen an Rüstungsfirmen geliefert und die Bieler GF Machining Solutions Fräs- und Senkerodiermaschinen.

Damit der Regierungsrat dazu Stellung nehmen muss und um zu erfahren, ob noch weitere Berner Unternehmen Putins Krieg unterstützen, haben wir eine Interpellation eingereicht. Darüber hinaus fordern wir mittels Motion eine Kriegsgewinnsteuer – zumindest die BKW verdankt ihren Milliardengewinn ganz sicher dem Krieg!

Überraschender Überschuss in der Kantonsrechnung?

Kurz nach der Frühlingssession machte der Kanton bekannt, dass seine Rechnung mit 446 Millionen Franken über Budget abschliesst, Schulden abgebaut werden können und Steuersenkungen damit realistisch werden. Überraschend ist das nicht. Die bürgerliche Kantonsregierung mit ihrer Sparministerin setzt eine lange Tradition mit folgenden Muster fort: warnen vor schlechten Zeiten, sparen, sparen, sparen, pessimistisch budgetieren, überrascht tun bei einem Überschuss, Steuern senken, vor schlechten Zeiten warnen, sparen, sparen, sparen und so weiter und so fort … 

Es ist dringend nötig, dass wir diesen Teufelskreis durchbrechen und dem bürgerlichen Plan, den Staat kaputt zu sparen, Grenzen setzen. Die aktuellen Krisen etwa in der Psychiatrie, in den Spitälern oder in den Schulen, die mit einem akuten Personalmangel einhergehen, zeigen, was passiert, wenn man privatisiert, abbaut und spart.

 

Rahel Ruch (editiert von Stefan Dietiker, Redaktion grünlinks)