Kurz nach sechs Uhr abends trudeln die Juniorinnen des FC Länggasse auf dem Kunstrasenplatz 3 im Neufeld zum Training ein. Da es schon dunkel wird, sind die Flutlichter eingeschaltet, der Frühlingsabend ist eher kühl. Alles andere als kühl ist die Begeisterung der 13 bis 15-jährigen Mädchen, wenn es um die Fussball-Europameisterschaft der Frauen in diesem Sommer geht: Sie freuen sich auf hochklassige Spiele. Ein Highlight für die jungen Kickerinnen ist der Match Schweiz gegen Island im Wankdorf: Sie können da ihrem grossen Vorbild, Lia Wälti, ein paar Tricks abgucken. Die Mittelfeldspielerin aus Langnau ist Kapitänin des Nationalteams und spielt seit 2018 für den FC Arsenal in London. Die beiden Trainer des FC-Länggasse doppeln nach: «Für uns als Verein ist es von besonderer Bedeutung, dass die Frauen-EM 2025 direkt vor unserer Haustüre stattfindet. Dieses Fussballfest bietet uns die einzigartige Möglichkeit, die Spiele hautnah zu erleben.»

Zoé, Salome, Anna, Sophie, Mila und Gianna-Maria vom FC Länggasse sind bereit für den richtigen Kick zu den Fussball-Europameisterschaften der Frauen im Juli.

Gelingt eine nachhaltige Förderung?

Ein «Ballzauber» soll die EM werden, das versprechen die Organisator*innen. Und das könnte gelingen, denn selbst Lisa Mazzone, die Präsidentin der Grünen Schweiz, wird Spiele besuchen – auch wenn sie sich «normalement pas tellement» für Fussball interessiert. Und: Sie würde feministische Aktionen für eine Besserstellung der Frauen im Fussball rund um die Matches begrüssen, so Mazzone.

Die Organisator*innen wollen aber – gemeinsam mit der UEFA – nicht nur gelungene Spiele ausrichten, sondern hoffen auch auf einen Popularitätsschub für den Mädchen- und Frauenfussball. Der lakonische Kommentar der beiden Länggass-Trainer dazu: «Wir sind mal gespannt.» Mit Popularität alleine sei es eben nicht getan. Sie kommen gleich auf das Thema der mangelnden Fussballfelder in Bern und Umgebung zu sprechen: «Wir könnten locker mehr Mädchenteams auf die Beine stellen. Interessentinnen und Trainer*innen haben wir genug. Aber: Wir brauchen mehr Felder für die Trainings und Matches.» Auch die Spielerinnen bemängeln fehlende Gleichbehandlung im Hinblick auf die Trainingsbedingungen: «Wir würden gern nicht so spät am Abend trainieren und nicht nur auf einem halben Spielfeld.» Oft müssten sie auf Fussballfeldern in einem miserablen Zustand spielen. Eine der Spielerinnen erinnert sich: «Wir mussten schon mal einen Match im völligen Dunkeln austragen!»

 Mit den Aussagen der Spielerinnen konfrontiert, meint Hannah Sutter, Co-Gesamtprojektleiterin der EM in Bern: «Ja, der Mangel an Fussballfeldern ist eine grosse Herausforderung, die sich nicht so einfach und rasch beheben lässt. Mit der neuen Rasensportstrategie der Stadt Bern sollte mittelfristig eine Entlastung erzielt werden. Mit weiteren Massnahmen wie Netzwerkanlässen für Frauen im Fussball und Vereinscoachings versuchen wir, kurzfristig Verbesserungen bei der Belegung der Fussballfelder zu erreichen und mehr Trainerinnen, Schiedsrichterinnen, Funktionärinnen und zu gewinnen.»

Bei der Unterstützung der Vereine knüpft auch Aline Trede an. Die GB-Nationalrätin ist eine glühende Förderin des Frauensports und eine der ersten Frauen im Zentralvorstand des Schweizerischen Fussballvereins. Sie sagt zur Entwicklung: «Wir sehen schon jetzt, dass es viel mehr Fussballspiele mit grossem Publikumsinteresse gibt. Wir haben kürzlich im Rahmen der Womens League im Wankdorf mit mehr als 10’000 Zuschauer*innen eine Rekordzahl verzeichnet.» Auch ist in den letzten fünf Jahren die Zahl der lizenzierten Fussballerinnen um 20’000 auf 45’000 Spielerinnen angewachsen. Aline Trede freut sich: «Endlich wird in den Gremien professionell und nicht mehr polemisch über eine bessere Frauenvertretung diskutiert!»

Hinweis: Binäre Sportwelt

Die Welt des Sports ist immer noch zweigeteilt: Hier die Männermannschaften und da die Frauenteams. Fachleute, die sich um eine Aufweichung dieser Fronten bemühen, begegnen vielfältigen Problemen. Uns wurde das bei der Wahl der Sprache im Artikel bewusst: grünlinks und das GB beziehen beim Reden und Schreiben immer alle Geschlechterformen mit ein und benutzen dazu schriftlich den Genderstern. Aber nach den Vorgaben der Fussballverbände dürfen bei der EM nur FRAUEN spielen und für Turniere und Meisterinnenschaften dürfen sich Menschen lizenzieren lassen, bei denen im Geburtsschein das weibliche Geschlecht steht. Das gilt auch bei den JUNIORINNEN, wo nur Mädchen mitmachen dürfen. Deshalb gendern wir in diesem Text nicht durchwegs, sondern nur dort wo Menschen aller Geschlechter gemeint sind. Wer sich für das Thema interessiert: Am IZFG der Uni Bern forschen Marianne Meier und Monika Hoffmann zum thema; Expertin ist auch Karolin Heckemeyer an der FHNW.

Gelingen auch umweltverträgliche Spiele?

Aline Trede ist überzeugt, dass dank den tiefen Eintrittspreisen und der im Ticket enthaltenen ÖV-Nutzung weniger Zuschauer*innen mit dem Auto anreisen werden. Die EM komme auch ohne Inlandflüge aus, auch wenn das einige Teams gewünscht hätten. Sogar die UEFA mache Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit. «Aber: Wir müssen sicherstellen, dass dies alles auch nach dem Turnier weitergeführt wird; dass die Spieler*innen zum Beispiel weiterhin motiviert werden, mit dem öffentlichen Verkehr zum Training zu gelangen.» Hoffnung keimt auf, wenn dazu das Team der Längass-Juniorinnen befragt wird: «Besonders schätzen wir, dass die Austragungsorte der EM hervorragend mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind – oder für uns in Bern mit dem Velo!»

Bettina Dauwalder, Redaktion grünlinks