grünlinks: Ursina, wir führen dieses Interview Anfang Februar. Erst Ende März werden alle Parteien ihre Nominationsversammlungen durchgeführt und definitive Beschlüsse zu den Listenverbindungen gefasst haben. Hält das RotGrünMitte-Bündnis RGM? (Abkürzungen siehe Kasten)

Ursina Anderegg: Ja, wir sind im RGM-Bündnis bereits daran, die gemeinsame Wahlplattform zu erarbeiten und die Kampagne vorzubereiten. Im Gegensatz zum neuen bürgerlichen Block mit EVP, GLP, Mitte, FDP und SVP ist RGM seit Jahrzehnten nicht einfach ein Wahlzweckbündnis sondern ein erfolgreiches politisches Projekt. Kurz: Es wird sicher spannend werden, wie sich das Wahljahr zwischen diesen beiden Blöcken entwickelt! 

grünlinks: Du willst Gemeinderätin von Bern werden, also vom Parlament in die Regierung wechseln. Was qualifiziert dich für dieses Amt?

Ursina Anderegg: Ich mache seit vielen Jahren Stadtpolitik, davon acht Jahre im Parlament. Und diese macht mir nach wie vor grossen Spass, weil sie nahe an den Menschen und ihrem Lebensumfeld ist. Ich bringe durch meine Tätigkeiten im Beruf sowie als DOK- und GB-Präsidentin vielfältige Führungserfahrung mit und weiss, wie die Verwaltung funktioniert. Ich kenne die Arbeit der Gemeinderät*innen sehr gut und kann durch mein breites stadtpolitisches Wissen im Falle einer Wahl schnell anknüpfen und loslegen.

grünlinks: Du hast aber ein Handicap: Du bist im Vergleich zu national prominenten Kandidat*innen weniger bekannt. Wie willst du das wettmachen?

Ursina Anderegg: Es wird eine grosse Herausforderung. Aber wir hatten mit der Lancierung meiner Kandidatur einen fulminanten Auftakt: Die GB-Mitglieder sind sehr motiviert, sich mit mir für die Wahlen stark zu engagieren, und ich habe sehr viele unterstützende Reaktionen auch ausserhalb der Partei erhalten, zum Teil auch von mir unbekannten Personen. Das GB ist in zahlreichen Zusammenhängen sehr breit vernetzt, das wollen wir nutzen und darüber hinaus viele Menschen erreichen. Im Frühling starten wir unsere Vorkampagne «Ursina hört zu!». Ich werde Vereine, WGs, Clubs oder Quartiertreffs besuchen, um zu hören, was die Leute bewegt. Diese Anliegen werden dann in mein Wahlprogramm einfliessen.

Ursina will es wissen!

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Was sind Deine Wünsche an das Wahlprogramm von Ursina? Wie stellst Du dir Dein Bern vor, wo muss es dringend vorwärts gehen, wo drückt der Schuh? Ursina will es wissen!

grünlinks: Durch das Zustandekommen der bürgerlichen Liste «Gemeinsam für Bern» ist der vierte Sitz von RGM und somit der GB-Sitz gefährdet. Wie soll da der GB-Sitzerhalt gelingen?

Ursina Anderegg: Für mich und das GB ist klar, dass es das oberste Ziel ist, die vier RGM-Sitze im Gemeinderat zu halten. Das wird sehr herausfordernd, aber nicht unerreichbar. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Programm, das aufzeigt, wie sich die Stadt gegen Klimakrise und Armut engagieren kann und wie wir die Stadt solidarisch entwickeln wollen, viele Wähler*innen an die Urne bringen werden.

grünlinks: Welche Themen willst du im Gemeinderat vorantreiben?

Ursina Anderegg: Für mich stehen drei Schwerpunkte im Vordergrund. Zum einen der Klimaschutz: Da geht es viel zu langsam voran. Es gilt, bei den Gebäudesanierungen vorwärts zu machen, Solaranlagen auf allen geeigneten Flächen zu montieren und die Stadt muss aufhören, dem Bund Hand zu bieten für einen Autobahnausbau.

Zweitens brauchen wir weiterhin einen Plan zur Bekämpfung der Armut. Es gibt in der Stadt Bern immer mehr Menschen, die von der Armut bedroht sind, das darf nicht sein. Franziska Teuscher hat hier sehr viel Arbeit geleistet, daran können wir anknüpfen und noch weitere innovative Lösungen anbieten, zum Beispiel eine Mietzinsbremse.

Drittens will ich die Förderung der Chancengleichheit und Gleichstellung vorantreiben, da ist z.B. die familienexterne Kinderbetreuung ein grosses Thema. Durch die engen Rahmenbedingungen des Kantons kommen z.B. die privaten und die städtischen Kitas immer mehr unter Druck: Für die Eltern wird es immer teurer und die Betreuungsqualität und Arbeitsbedingungen verschlechtern sich. Als Stadt müssen wir gemeinsam mit anderen Gemeinden Gegensteuer geben und unseren Handlungsspielraum nutzen.

grünlinks: Es fällt auf, dass du leidenschaftlich für gute Kitas kämpfst, du engagierst dich im Dachverband für offene Kinderarbeit (DOK), du warst lange Pfadfinderin. Was bedeuten Kinder in deinem Leben?

Ursina Anderegg: Ich finde Kinder spannende Menschen! Sie sind unvoreingenommen, leben oft im Moment und können uns Erwachsenen immer wieder die Augen öffnen. Politisch finde ich es sehr wichtig, die Perspektiven der Kinder einzunehmen und ihre Stimmen zu vertreten. Je kinderfreundlicher wir die Stadt entwickeln und gute Angebote für Kinder bieten, desto gesünder und selbstbestimmter können Menschen in Bern aufwachsen. Dies fördert den sozialen Zusammenhalt und die Chancengerechtigkeit.  

grünlinks: Dir wird finanzpolitisches Knowhow attestiert und gleichzeitig liegt dir Klimaschutzpolitik am Herzen. Nur ist Klimaschutzpolitik in der Stadt Bern oft eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Wie willst du dich da durchsetzen?

Ursina Anderegg: Im Gemeinderat muss das Thema zuoberst auf die Agenda kommen. Die Massnahmen, um den CO2-Absenkpfad zu erreichen, liegen eigentlich auf dem Tisch, aber es geht trotzdem nicht vorwärts. Ich will dazu beitragen, diese Blockade zu lösen. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes, aber es scheint notwendig, dass wir den finanziellen Handlungsspielraum erweitern. Deshalb wird das GB nun auch zusammen mit Partner*innen die Klimagerechtigkeitsinitiative lancieren. 

grünlinks: Ihr schlagt verschiedene Quellen für die Finanzierung der Klimaschutzmassnahmen vor. Kannst Du das genauer erläutern?

Ursina Anderegg: Die Initiative fordert, dass Klimaschutz durch sozialverträgliche Umverteilung finanziert werden soll. Das heisst, er soll von den Hauptverursacher*innen (grosse Unternehmen, Grossverbraucher*innen, Reiche) bezahlt werden. Ein Hebel hier kann eine Erhöhung der Steuern für Unternehmen sein. Bund und Kanton haben die Unternehmenssteuern immer wieder gesenkt, wir finden es legitim, diese wieder leicht zu erhöhen. In der Stadt erbringen zudem 2% aller Unternehmen 95% der Gewinnsteuern, ein sehr grosser Teil der kleineren Unternehmen bezahlt nur wenig oder gar keine Steuern. Weiter könnte die Gewinnablieferung der ewb erhöht werden oder eine Stromabgabe mit einem Freibetrag für tiefen Verbrauch eingeführt werden.

 

Interview: Bettina Dauwalder, Redaktion grünlinks

Fotos: Judith Schönenberger

 

Bündnisse in Bern

Rot-Grün-Mitte RGM ist ein Bündnis mit den Parteien SP (Sozialdemokratische Partei), GB (Grünes Bündnis) und GFL (Grüne Freie Liste). Das Bündnis besteht seit den 90er Jahren und hält heute vier von fünf Sitzen im Gemeinderat.

Die Liste «Gemeinsam für Bern» ist ein bürgerlicher Block. Mitmachen wollen hier GLP (Grünliberale Partei), FDP (Freisinnig Liberale Partei), die Mitte, EVP (Evangelische Volkspartei) und SVP (Schweizerische Volkspartei). Mit diesem Bündnis wollen die Bürgerlichen einen zweiten Sitz in der Stadtberner Exekutive holen.