Ein Dienstagmittag in den Sommerferien. Es ist heiss und ich fahre mit dem Velo die Bolligenstrasse entlang. Immer wieder flitzt ein Auto an mir vorbei. Menschen sind kaum zu sehen. Kein besonders schöner Fleck Bern. Ich denke an die Ausbaupläne des Bundes in diesem Perimeter und muss unvermittelt den Kopf schütteln. Sollten wir nicht mittlerweile an einem Punkt angelangt sein, an dem es Common Sense ist, dass die Zukunft weder dem motorisierten Individualverkehr (kurz MIV) noch den fixen Bürozeiten gehört und es statt attraktiveren Autoverbindungen einen gut ausgebauten ÖV und sichere und schnelle Veloverbindungen braucht? 

Was ist geplant? 

Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) möchte den Autobahnanschluss im Wankdorf massiv ausbauen. Damit dieses Projekt gebaut werden kann, müssen viele Bäume des Allmendwäldchens und der Bolligenstrasse weichen. Die Velofahrer*innen würden zwar auf der Bolligenstrasse eine eigene Spur bekommen und es würde eine Brücke für den Fuss- und Veloverkehr gebaut. Doch ist das wirklich eine Verbesserung für den Veloverkehr? Ich stelle mir vor, wie ich bei der Mittagshitze in der Sonne die zusätzlichen Höhenmeter zurücklegen muss, und entscheide mich dagegen. Es scheint mir absolut gegenläufig zu den städtischen Klimazielen, eine Autobahn auszubauen. Nicht nur wird so Mehrverkehr generiert, weil das Autofahren attraktiver wird, sondern es werden auch Grünflächen für neuen Strassenraum überbaut. 

Warum eine städtische Initiative? 

Der Verein Spurwechsel und seine Mitgliedsorganisationen (unter anderem das GB) üben seit Jahren parlamentarisch Druck gegen das Projekt aus. Vor allem im Stadtrat, aber auch im Grossen Rat und im Nationalrat. Ausserdem wurden Informationsveranstaltungen in den Quartieren organisiert und Einsprachen gegen das Projekt koordiniert. 

Doch das ASTRA und auch der Berner Gemeinderat beharren auf den Plänen. Deshalb haben die Spurwechsel-Mitglieder im Frühling beschlossen, eine städtische Initiative zu lancieren. Damit kann zwar nicht das ASTRA verpflichtet werden, von seinen Plänen abzusehen. Aber zumindest haben die Berner*innen die Möglichkeit, in einer Volksabstimmung zu sagen, dass sie diesen Ausbau nicht wollen. Für den Berner Gemeinderat ist diese Willensäusserung bindend.

Die Initiative definiert für die Stadt Bern einen neuen «Grundsatz der Verkehrspolitik». Der Gemeinderat wird verpflichtet, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel dafür einzusetzen, dass in der Region Bern keine Autobahn-Projekte umgesetzt werden, die Mehrverkehr ermöglichen. 

Dass sich Widerstand der lokalen Bevölkerung lohnen kann, haben wir in anderen Regionen der Schweiz, wie z.B. in Biel oder Luzern, gesehen. Nun heisst es in Bern während sechs Monaten: Sammeln, sammeln, sammeln. Hilfst du auch mit?

Ich setze mich am Strassenrand in den Schatten und beobachte die Menschen in den Autos. In kaum einem Auto sitzt mehr als eine Person. Ich google, wie viele Menschen in einen Doppelgelenkbus passen. Laut Bernmobil sind es 225. Und ich stelle mir die Kolonne von 200 Autos vor. Wie absurd ist es, im Auto die Mobilität der Zukunft zu sehen?

Seraphine Iseli, GB-Stadträtin und Vorstandsmitglied Spurwechsel