Der Grosse Rat hat in der Herbstsession eine Finanzmotion zur Anpassung des Grundbedarfs in der Sozialhilfe im Kanton Bern überwiesen. Damit wird der Grundbedarf zum ersten Mal seit 12 Jahren der Teuerung angepasst. 

Der Grundbedarf in der Sozialhilfe liegt im Kanton Bern seit Jahren massiv unter dem von der SKOS, dem nationalen Fachverband für Sozialhilfe, empfohlenen Niveau zur Existenzsicherung. Während praktisch alle anderen Kantone das Niveau des Grundbedarfs der Preisentwicklung gemäss SKOS-Empfehlungen angepasst haben, hat der Kanton Bern 12 Jahre am Grundbedarf von 977 Franken festgehalten und damit bei den Schwächsten gespart. Mit der neuen Anpassung auf 1’006 Franken nähert sich der Grundbedarf im Kanton Bern wieder dem von der SKOS empfohlenen Niveau an, das 2023 bei 1’031 Franken liegt. 

Hasim Sancar, Grossrat des GB, hat im letzten Herbst mit Mitgliedern anderer Parteien in einer Motion auf die allgemeine Teuerung hingewiesen und eine Erhöhung des Grundbedarfs in der Sozialhilfe verlangt. Er hat die Motion zu Gunsten der nun überwiesenen, von ihm auch miteingereichten Finanzmotion zurückgezogen, und damit den Weg für den nun angenommenen breit akzeptierten Kompromiss freigemacht.  

Kleiner Schritt bei den Prämienverbilligungen

Auch bei den Prämienverbilligungen wäre eine Erhöhung schon lange nötig: Die Prämienlast im Kanton Bern ist schweizweit eine der höchsten. Nächstes Jahr wird erwartet, dass die Prämien um bis zu 10% steigen, nachdem die Menschen schon dieses Jahr eine satte Erhöhung von 6.4% berappen müssen. Dies belastet Menschen mit tiefen Einkommen enorm. Jetzt hat der Regierungsrat endlich reagiert und immerhin eine minimale Erhöhung der Prämienverbilligungen beschlossen. 

Aus unserer Sicht reicht das jedoch nicht: Wenn die Kosten für die Krankenkassenprämien steigen, braucht es jeweils eine automatische Erhöhung im gleichen Umfang bei den Prämienverbilligungen. Halten die Verbilligungen nicht mit der Kostenentwicklung Schritt wird die Finanzierung des Gesundheitssystems immer unsozialer. Ein von den GRÜNEN miteingereichtes Postulat, das den Regierungsrat beauftragt, eine solche Systemanpassung zu prüfen, wurde in der Herbstsession überwiesen. 

Gleichzeitig hat das Bundesparlament den Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungsinitiative der SP massiv abgeschwächt. Ein Rückzug wurde somit verunmöglicht und wir werden nächstes Jahr über die Initiative abstimmen. Sie fordert, dass kein Haushalt mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben muss. 

Ausgleich kalte Progression

Während jede sozialpolitische Verbesserung auf kantonaler Ebene hart umkämpft ist und wir bei den kantonalen Löhnen von einem vollständigen Teuerungsausgleich weit entfernt sind, ist es für die bürgerliche Mehrheit eine Selbstverständlichkeit, die kalte Progression in der Steuerberechnung auszugleichen. Die entsprechende Vorlage wurde in der Herbstsession gutgeheissen. Kalte Progression bedeutet: Es wird angenommen, dass aufgrund der Teuerung die Reallöhne sinken und damit Abstufung in der Steuerprogression um die Teuerungsrate bereinigt werden muss, sonst steigt die reale Steuerbelastung, ohne dass tatsächlich mehr verfügbares Einkommen vorhanden wäre. Grundsätzlich ist es richtig, die kalte Progression auszugleichen. Nur: Wie bei jeder Steuersenkung profitieren die hohen Einkommen von dieser Anpassung überproportional und dem Kanton entgehen Steuereinnahmen – zumindest solange die Löhne nicht der realen Teuerung angeglichen werden. Wäre der Teuerungsausgleich bei den Löhnen ebenso selbstverständlich wie bei den Steuern, könnten auch wir ihn unterstützen.

Teilrevision des Polizeigesetzes

Aufgrund eines Bundesgerichtsurteils aus dem Jahr 2020 musste der Regierungsrat eine Teilrevision des Polizeigesetzes vorlegen und insbesondere eine rassistische Bestimmung, die sich nur gegen Fahrende richtete, streichen. Es ist wichtig, dass der Regierungsrat aufgrund dieses Urteils nun die verfassungswidrigen Bestimmungen für alle erkennbar aus dem Gesetz streicht. Gleichzeitig hat der Regierungsrat aber die Revision genutzt, um die Überwachung auszubauen: So soll es dem Kanton neu möglich sein, Gemeinden zu verpflichten, gewisse Gebiete im öffentlichen Raum mit Kameras zu überwachen. Gegen diese Bestimmung wehren sich neben den linken Parteien auch betroffene Gemeinden, darunter die Stadt Bern. Weiter ist ein Ausbau der Fahrzeugüberwachung vorgesehen: So sollen die Aufzeichnungen von Kameras, die die Nummernschilder von Autos filmen, neu während 60 Tagen aufbewahrt werden. Damit werden enorme Datenmengen angehäuft und für die nachträgliche Auswertung zugänglich gemacht. Das ist auch laut dem kantonalen Datenschützer enorm bedenklich. Das Polizeigesetz wird in der Wintersession des Grossen Rats in die zweite Lesung kommen.

 

Seraina Patzen, Grossrätin Junge Alternative JA!