Prüfauftrag

Der Gemeinderat wird folgender Prüfauftrag erteilt: 

  1. Prüfen, welche Handlungsspielräume die Stadt Bern hat, um die Textilverwertung zu steuern und sicherzustellen, dass Alttextilien möglichst lokal verwertet werden und so möglichst auf Export von Altkleidern verzichtet wird.
  2. Prüfen, inwiefern die Stadt Vorgaben an Textilverwerter machen kann.
  3. Prüfen, wie die Stadt zusammen mit lokalen Partnern und Initiativen ein lokales Netzwerk und Textilkreislauf aufbauen kann, in dem möglichst viel lokal wieder verwertet und möglichst wenig exportiert wird.
  4. Prüfen, welche Kooperationsmöglichkeiten mit angrenzenden Gemeinden im Bereich lokale Textilverwertung bestehen.
  5. Prüfen, wo die Stadt auf gesamtschweizerische Entwicklungen in Sachen lokale Alttextilverwertung als positive Impulsgeberin agieren kann.
  6. Prüfen ob und in welcher Form eine Zusammenarbeit mit Akteur:innen (wie z.B Fabric Loop) sinnvoll wäre, welche sich für übergeordnete kreislauffähige Lösungen für Textilien einsetzen.

Begründung

In der Stadt Bern wurden 2024 durch Tell-Tex und Texaid an allen Sammelstellen zusammen rund 415 Tonnen Altkleider gesammelt. Schweizweit fallen jährlich etwa 110’000 Tonnen Alttextilien an, wovon rund 65’000 Tonnen durch Organisationen wie Texaid, Caritas oder Tell-Tex eingesammelt werden. Im Inland bleibt praktisch nichts und das meiste wird ins europäische Ausland exportiert und gelangt von dort unter anderem auch in den globalen Süden, beispielsweise nach Ghana. Dort fehlt es meist an funktionierender Infrastruktur für Recycling oder Entsorgung. Die Folge sind gigantische Deponien mit unbrauchbarer Kleidung. Sie verschmutzen nicht nur ganze Strand- und Landstriche, sondern werden in Brand gesetzt und entwickeln sich zu einem beachtlichen Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung. Diese Art der Kleiderverwertung des globalen Nordens nennt man auch Abfallkolonialismus. Die Wiederverwendung in ausländischen Märkten soll möglichst reduziert und vermieden werden. Die enorme Umweltbelastung durch Textilien ist eine Tatsache und es herrscht Konsens darüber, dass dafür Lösungen gefunden werden muss.

Nachdem die EU 2022 eine «Strategie für nachhaltige Textilien» lanciert hat, ist dort seit anfangs 2025 eine neue EU-Richtlinie in Kraft, welche fordert, dass Textilien getrennt von anderen Abfallströmen gesammelt werden müssen. Im Jahr 2026 tritt ausserdem die erweiterte Produzentenverantwortung in Kraft. Auf Bundesebene hat die Parlamentarische Initiative 20.433 «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» zu neuen Rechtsgrundlagen im Umweltschutzgesetz (USG) geführt, wovon einige im Zusammenhang mit Textilien stehen. Verwertungsmöglichkeiten von Alttextilien sind zwar zurzeit in der Schweiz immer noch beschränkt, aber Tell-Tex ist daran in St. Margrethen ein Altkleiderverwertungszentrum zu bauen. Ausserdem hat sich Fabric Loop unter der Beteiligung von Swiss Textiles zum Ziel gesetzt eine vorgezogene Recyclinggebühr zu etablieren, welche sich an bewährten Beispielen wie PET-Getränkeflaschen und Elektrogeräte orientiert. Auch auf lokaler Ebene gibt es Beispiele, die Fast Fashion und dem Altkleider Export den Kampf angesagt haben. So organisiert die Stadt Zürich ab 2026 ihre Textilverwertung neu. Zürich strebt an, dass die lokale Wiederverwendung von Alttextilien gestärkt, dass weniger im Ausland verwertet wird und mehr Transparenz über die Verwertungsströme herrscht. Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) ist zuständig für die Sammlung der Textilien, das Sortieren und VViederverwerten übernimmt ein externer Anbieter. Deshalb hat Zürich als erste Stadt der Schweiz den Auftrag für die Sortierung von Alttextilien öffentlich ausgeschrieben.

Mit dem vorliegenden Prüfauftrag gilt es herauszufinden, wo und wie die Stadt Bern Hebel und die Möglichkeit für Impulsgebung hat, um die Alttextilverwertung möglichst lokal zu gestalten. Bern hat die Chance es der Stadt Zürich gleichzutun und zum Vorreiter in Sachen lokaler Textilweiterverwendung zu werden. Bern sagt von sich, sie wolle in Sachen Kreislaufwirtschaft ein Vorbild sein. Hier hat sie die Chance als gutes Vorbild den Boden und den Weg für eine kreislauffähige Textilindustrie vorzubereiten und ihr Gewicht für positive Lösungen für das Altkleiderproblem in die Waagschale zu legen.

Bern, 11. September 2025

Quellen: